Stuttgart – Es ist noch nicht so lange her, dass der wahlweise als „dubios“ oder „umstritten“ bezeichnete Goldhändler Harald Seiz seinen Anlegern eine stabile, goldgedeckte und renditeträchtige Kryptowährung versprach. Selbst wer Gold nicht in seinem Anlageportfolio habe, könne sich seinem Reiz nicht entziehen. „Für die meisten von uns ist Gold einfach nur schön und praktisch, werthaltig und wertvoll“, so der Gründer und Geschäftsführer der Karatbars International GmbH. „Es hat Krisen, Verwerfungen und Diktaturen überdauert, Ehepaare vorm Traualtar verbunden oder einfach nur dafür gesorgt, dass seine Inhaber angesichts von Bankenkrisen, Inflation und Aktienkursschwankungen ruhiger schlafen konnten.“ Karatbars International wurde im Jahr 2011 gegründet und spezialisierte sich auf den Verkauf kleiner Goldbarren und goldhaltiger Geschenkkarten. Beim angebotenen Cashgold handelt es sich um selbst kreierte Geldscheine, in die 0,1-Gramm-Barren eingewoben sind. Nach eigenen Angaben war man zeitweise sogar Weltmarktführer für Gold in kleinen Stückelungen. Der Hauptsitz und das Logistikcenter befinden sich in Stuttgart – heute soll die Firmenzentrale aber leer stehen.
Karatbars International: Amtsgericht erlässt Haftbefehl gegen Goldhändler Harald Seiz
In seinem Buch „Die Zukunft des Geldes: Wie Gold unser Zahlungssystem revolutionieren wird“ vertiefte Seiz seine Gedanken zur Rolle des Edelmetalls: „Fast jeder von uns nutzt Gold; und der, der dies nicht nutzt oder es sich vielleicht auch nicht leisten kann, glaubt trotzdem an seinen Wert. Dabei zählt für viele vor allem das Handfeste und Profane: Gold wiegt schwer, es hat eine attraktive Farbe und ist schlichtweg das Symbol für Reichtum. Gold ist einmalig.“ Nach Gehversuchen als Staubsaugervertreter wechselte er in die Finanzbranche, wo er zunächst beachtliche Erfolge feierte.
Anfang 2018 konnten Krypto-Enthusiasten mit einem Faible für krisensicheres Gold erstmals den Karatgold Coin (KBC) zeichnen. Das Versprechen des Karatbars-Gründers beflügelte die Fantasie vieler Anleger: Die angeblich durch Gold gedeckte Kryptomünze sollte die Beständigkeit des Edelmetalls mit den Vorteilen einer Digital-Währung kombinieren. Dazu sagte Seiz einmal: „Wir müssen uns vom traditionellen Bild lösen, dass wir alle noch im Kopf haben, wenn wir an Gold denken.“ Und tatsächlich lief es sehr gut an: Ein Jahr nach seinem Einführungspreis von wenigen US-Cent wurde der Krypto-Coin schon für zwölf Cent gehandelt. Seiz feierte sich mit großem Selbstbewusstsein als erfolgreicher Unternehmer und Modernisierer des Goldmarktes. Doch im Dezember 2019 begann der Karatgold Coin massiv an Wert zu verlieren.
Im Frühjahr 2020 kamen der deutschen Staatsanwaltschaft erhebliche Zweifel an den behaupteten Goldreserven der Karatbars-Gruppe. Der Kurssturz der Kryptowährung KBC wirbelte mächtig Staub auf und rief die Ermittler auf den Plan. Das „Handelsblatt“ brachte im Sommer 2020 Licht ins Dunkel: „Deni G. ist ein Mann fürs Grobe. Er saß bereits wegen räuberischer Erpressung im Gefängnis. Am 5. Juni 2019 betrat der Kroate eine Dienststelle der Polizei in Mainz, um einen angeblichen Kriminellen anzuschwärzen. Er wies sich als Bevollmächtigter des Stuttgarter Goldhändlers Karatbars aus und erstattete Strafanzeige gegen einen ehemaligen Geschäftspartner, Marvin Steinberg.“ Die renommierte Wirtschafts- und Finanzzeitung wusste noch mehr: „Steinberg war mit der Markteinführung des Karatgold Coin betraut, jener angeblich mit Gold gedeckten Kryptowährung, mit der die Karatbars-Gruppe nach eigenen Angaben über eine Stiftung in Belize bis zu 90 Millionen Euro einsammelte. Zunächst lief alles nach Plan. Der Kurs des KBC stieg von 0,4 Cent bei Ausgabe Ende März 2018 auf elf Cent Anfang Juli 2019, dann stürzte er in einem Jahr um mehr als 96 Prozent ab.“
Ende 2019 berichtete das „Handelsblatt“, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Karatbars-Gruppe angewiesen habe, ihre angeblich goldgedeckte virtuelle Währung KBC abzuwickeln. Doch der Handel sei zunächst weitergelaufen. In den sozialen Netzwerken gab es überraschend viel Unterstützung für Harald Seiz, obwohl ihm die Finanzaufsicht Schwerwiegendes vorwarf: die Karatbit Foundation, die die Kryptowährung emittiert habe, betreibe in Deutschland ohne Genehmigung ein elektronisches Geldgeschäft und habe dieses unverzüglich einzustellen. Zeitgleich meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass die Staatsanwaltschaft die Geschäfte des Goldhändlers Karatbars und seines Gründers Harald Seiz unter die Lupe nimmt. Gegen ihn werde wegen des Verdachts des Betruges ermittelt, so das Blatt. Die Unternehmensgruppe, die von Anlegern 100 Millionen Euro eingesammelt haben soll, wies den Betrugsverdacht zurück.
Aktuell macht der 1963 geborene Unternehmer und Buchautor erneut Schlagzeilen. Laut der „Bild“-Zeitung hat das Stuttgarter Amtsgericht einen Haftbefehl gegen den Gold- und Kryptowährungshändler erlassen. „Unternehmer Harald Seiz (59) prahlte mit einer der teuersten Villen im Ländle, schmückte sich mit Prominenten wie Film-Diva Catherine Deneuve. Dann verschwand er, seine Firma steht leer“, schrieb das Boulevardblatt. Der frühere Sindelfinger Villen-Besitzer, der inzwischen offenbar in Thailand lebt, soll sich per E-Mail beim Amtsgericht gemeldet haben. Das muss nun rechtsstaatlich klären, ob Seiz Investoren mit seinen Goldgeschäften angelockt und um ihre Einlagen betrogen hat.
Sollten sich die Verdachtsmomente nicht als haltlos, sondern als zutreffend erweisen, wäre das für den in Calw geborenen und in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsenen Geschäftsmann der absolute Image-GAU. Bis 2019 war er noch Besitzer der „Villa Hollywood“ in der Nähe des Krankenhauses in Sindelfingen, die danach online für bis zu 9,8 Millionen Euro zum Verkauf angeboten wurde. Sie war damit eine der teuersten Villen auf dem deutschen Immobilienmarkt. Auf seiner eigenen Internetseite heißt es als Reminiszenz an bessere Zeiten noch: „Ein Mann, viele Facetten. Erfolg misst sich nicht an Gewinn, sondern vielmehr an den Menschen, die einen auf diesem Weg begleiten und Teil des Erfolges werden.“ Jetzt steht erst einmal der Haftbefehl im Raum.