China – Frei im Überwachungsstaat?
China – Frei im Überwachungsstaat?


Peking - China ist im Augenblick in den deutschen Medien wenig präsent. Um so interessanter war mein heutiges Gespräch mit einem Freund, der in der Region Shanghai lebt. Wir haben uns via Facetime ausgetauscht, was erstaunlich gut funktionierte, da der Austausch über westliche Kommunikationskanäle normalerweise streng reglementiert ist. Um meinen Freund nicht zu gefährden, werde ich seine Identität schützen und ihn einfach Ben nennen. 

Natürlich sprachen wir als erstes über die unterschiedlichen Corona – Maßnahmen in unseren jeweiligen Ländern. In der Region Shanghai werden momentan keine Corona – Fälle gemeldet, weswegen das Leben dort frei und ohne Einschränkungen stattfindet. Die Kinder gehen normal zur Schule, wobei die Eltern dort täglich die zu Hause gemessene Körpertemperatur angeben müssen. Bei einer erhöhten Temperatur von 38 Grad sollten die Kinder zu Hause bleiben.Dies basiert jedoch ausschließlich auf freiwilliger Basis. Weder müssen die Kinder getestet werden noch tragen sie Masken in der Schule.

Die Körpertemperatur wird auch gemessen, wenn man die öffentlichen Verkehrsmittel in Shanghai benutzt. Dabei wird nicht jeder einzelne getestet, sondern über Wärmescanner gefiltert. Mit dem sogenannten Thermal Screening sollen Erkrankte rechtzeitig erkannt und isoliert werden. Allerdings gäbe es keine Landeseinheitlichen Regeln dafür, so Ben. Denn die einzelnen Bundesstaaten stehen zueinander in Konkurrenz, was die Bekämpfung von Covid -19 betrifft. Die Region mit den wenigsten Erkrankten gilt als erfolgreich. Deswegen werden auch die Reisen innerhalb Chinas streng überwacht und reglementiert. Dies erfolgt jedoch nicht wie in Deutschland über eine Warn – App sondern direkt über den Ausweis. Wer seinen Bundesstaat verlassen möchte und aus einer Stadt bzw. Gegend mit einer hohen Inzidenz stammt, dem kann die Einreise verweigert werden. Dabei werden Autobahnen und Landstraßen in den Regionen als grüne bzw. rote Zonen gekennzeichnet, um gefährdete Gebiete zu markieren.

Ben, der vor ein paar Wochen aus beruflichen Gründen in Peking war, berichtet auch von strengen Kontrollen an Flughäfen. So gab es während seines Aufenthaltes in Peking mehrere Corona – Verdachtsfälle, weswegen alle Reisende bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen in Shanghai einen PCR – Test durchführen mussten. Es gibt dafür mittlerweile ein eigenes Terminal, dass so ausgestattet ist, dass viele Ankommende schnell und unkompliziert getestet werden können. Das Ergebnis läge nach 8 Stunden vor. Interessant ist, dass in China nur der PCR – Test angewendet wird. Schnelltests sind hier nicht zugelassen, da sie als unsicher gelten. Maskenpflicht gilt nur im öffentlichen Nahverkehr, in Zügen und Flugzeugen. Sonst gibt es keinerlei Maskenpflicht.

Noch restriktiver geht man mit Einreisenden aus dem Ausland um. So werden kaum noch Besucher – Visa erteilt, was insbesondere Geschäftsreisen erschwert. Zusätzlich müssen sich alle Reisenden aus dem Ausland einer langen und strikten Quarantäne unterwerfen. Die Dauer variiert zwischen den einzelnen Bundesstaaten und liegt zwischen 14 und 28 Tagen. In der gesamten Zeit müssen die Personen im Hotelzimmer verbleiben und werden entsprechend versorgt. Es werden in diesem Zeitraum mehrere PCR – Tests durchgeführt.

Gleichzeitig läuft auch in China eine Impfkampagne, die allerdings ausschließlich auf Freiwilligkeit setzt. Da Milch nicht nur begehrt, sondern auch teuer ist, wird häufig Milch als Impfanreiz verschenkt. Auch gäbe es beispielsweise Hotels, die damit Werbung machen, dass das gesamte Haus sicher und hygienisch ist und die komplette Belegschaft geimpft ist. Doch eine Impfung ist nicht die Voraussetzung, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. Ungeimpfte Arbeitnehmer sind keinen Repressalien ausgesetzt. Dabei setzt China ausschließlich auf Tot- und Vektor-Impfstoffe. mRNA – Impfstoffe sind zurzeit in China nicht zugelassen. Es gab Berichte, dass BioNTech – Gründer Sahin im August 2021 in China war, um einen Deal abzuschließen. Über die Gründe, warum das Geschäft bislang nicht zustande kam, kann jedoch nur spekuliert werden. Möglicherweise hat BioNTech Sorge, dass die Chinesen das Produkt kopieren. Möglicherweise stufen die Chinesen die mRNA – Impfungen auch als unsicher ein. 

Überhaupt scheint sich China sehr im Protektionismus einzurichten, so Ben. Das Land erlebe gerade einen Wirtschaftsboom, der sich zwar im Augenblick etwas abschwäche, jedoch von einem hohen Level kommend. Betrug der Rekordzuwachs der Wirtschaft Anfang dieses Jahres noch über 18 % liegt er jetzt immerhin noch bei knapp 5 %. Zum Vergleich: in Deutschland liegt das Wirtschaftswachstum aktuell bei 1,8 %.

In der Summe berichtet Ben also von einem Land, das vielfältige Überwachungsmöglichkeiten nutzt und strenge Maßnahmen umsetzt, um das Virus einzudämmen. Und das gleichzeitig ein relativ freies Leben in den Regionen ermöglicht, die im Moment kaum betroffen sind. Ein freies Leben in einem unfreien Land, was Grund zu Hoffnung und Sorge geleichermaßen ist.

 

*)Bens vollständiger Name ist der Redaktion bekannt.


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