Der Unternehmer Patrick Landrock versucht sich an der Wiederbelebung der Marke Schlecker
Der Unternehmer Patrick Landrock versucht sich an der Wiederbelebung der Marke Schlecker


Kitzbühel – Es war eine der spannendsten Wirtschaftsnachrichten zu Jahresanfang: Der umtriebige Unternehmer und Selfmade-Millionär Patrick Landrock will der pleitegegangenen Drogeriekette Schlecker mit einem Innovationskonzept neues Leben einhauchen.

Fast genau zehn Jahre zuvor hatte Europas größte Drogeriemarktkette Insolvenz angemeldet und rund 25.000 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit entlassen. Gefühlt gab es in jeder deutschen Kommune eine Filiale des nach Anton Schlecker benannten Drogeriekonzerns. Doch der Unternehmer aus Ehingen bei Ulm verfolgte eine realitätsblinde Expansionsstrategie. Obwohl seine Läden alt, klein und unattraktiv waren, wollte er mit ihnen wachsen und wachsen. Doch die Kunden machten nicht mit. Der nötige Modernisierungsumbau des Filialnetzes konnte wegen fehlender Finanzmittel nicht schnell genug umgesetzt werden. Als „Einzelkaufmann“ haftete Anton Schlecker mit allem, was er privat besaß. Als immer mehr Gläubiger immer höhere Forderungen geltend machten, musste die Drogeriekette im Januar 2012 Insolvenz anmelden. Zwei Monate später scheiterte der Versuch des Insolvenzverwalters, mittels einer Transfergesellschaft knapp 10.000 „Schlecker-Frauen“ vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. In die Wirtschaftshistorie der Bundesrepublik gingen die Worte der Schlecker-Tochter Meike ein. Unmittelbar nach der Insolvenzanmeldung hatte sie auf die Frage eines Journalisten, warum ihr Vater nicht sein Privatvermögen zur Konzernrettung eingesetzt habe, gesagt: „Ich glaube, Sie haben das nicht verstanden. Es ist nichts mehr da.“ 2017 verurteilte die Justiz Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren, weil er angesichts der drohenden Pleite Geld beiseitegeschafft haben soll. Seine Kinder Meike und Lars mussten wegen Beihilfe zum Bankrott sogar ins Gefängnis.

Heute ist der Markenname Schlecker in Deutschland immer noch weithin bekannt, hat aber nicht mehr unbedingt einen guten Klang. Das scheint den österreichischen Geschäftsmann Patrick Landrock eher anzuspornen als abzuschrecken. Zu Jahresbeginn kündigte der unternehmerische Wirbelwind aus Kitzbühel an, die alte Marke wiederzubeleben, aber nicht mit der Sortimentsbegrenzung eines Drogeriemarktes, sondern auch andere Produkte des Alltagsbedarfs ins Sortiment aufzunehmen. Ende des ersten Halbjahres 2022 solle der Online-Vertrieb starten und dann ein neues Filialnetz aufgebaut werden, verlautbarte im Januar 2022. 

Landrock trauen Beobachter durchaus zu, die Marke zu entstauben und in eine neue Zukunft zu führen. Das hängt mit seinem Ruf als entschlossener Machertyp zusammen. Über ihn wurde schon einmal getitelt: „Hart, härter, Patrick Landrock: Der Kopf hinter kitzVenture führt das Unternehmen mit eiserner Hand.“ Der Geschäftsführer der kitzVenture GmbH ist bereits internationaler Markeninhaber von „Schlecker“ und bereitet seit Jahren gewissenhaft die Neugründung der Drogeriekette vor. „Schlecker wird in Zukunft kein reiner Drogeriemarkt mehr sein, sondern auch stark mit Produkten des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Lebensmitteln, Büro- und Geschäftsbedarfsprodukten sowie Baumarktartikeln auftreten“, erläutert der Kitzbüheler auf Nachfrage. Zudem plant er einen „Miet-Commerce“ für Unterhaltungs- und Haushaltsgeräte. „Es müssen sich also nicht nur die bestehenden Drogeriemarktketten, sondern auch andere Händler warm anziehen, wenn der Dinosaurier Schlecker zurückkehrt“, sagt Landrock offensiv und verspricht: „Unsere innovative Technologie-Plattform wird uns sowohl online als auch im Filial- und Liefernetz einen Vorsprung ermöglichen, den der Wettbewerb nur schwer wieder aufholen wird.“

Laut Branchenkennern könnte ein solch massiver Markteintritt Hunderte Millionen Euro an „Working Capital“ verschlingen. Für Zweifler hat der Tiroler diese Botschaft parat: „Wir stehen längst mit einflussreichen internationalen Family Offices sowie mit institutionellen Investoren in fortgeschrittenen Gesprächen. Bereits in diesem frühen Stadium steht eine Multi-Milliarden-Unternehmensbewertung im Raum. Schlecker wird so oder so zum Einhorn werden, also eine Unternehmensbewertung von mehr als einer Milliarden Euro erhalten.“ Das Selbstbewusstsein rührt auch daher, dass die international agierende Beteiligungsgesellschaft kitzVenture GmbH in den letzten Jahren eine echte Erfolgsgeschichte war. Diese mündete im letzten Geschäftsjahr in eine Rekordbilanz: Bei Umsatzerlösen von über 11 Millionen Euro erzielte man einen Bilanzgewinn von mehr als fünf Millionen Euro.

Mit „Schlecker+“ will Landrock nun Neuland betreten und einen Handelsriesen mit europäischem Geltungsanspruch aufbauen. Herzstück wird eine innovative Technologie-Plattform sein, die gleichermaßen Online-Shops, Filialen und Direktlieferprozesse steuern soll. Daran angeschlossen ist ein vollautomatisiertes Klein- und Großteilelager. „Das kann in dieser Größe und Umsetzung kein Mitbewerber bieten und wird uns einen enormen Vorsprung garantieren“, ist der kitzVenture-Geschäftsführer zuversichtlich. „Damit kommen wir unserem Ziel, signifikante Marktanteile zu gewinnen und Marktführer zu werden, rasch näher.“ Im April wurde bekannt, dass der erste Großinvestor von der Schlecker-Revitalisierung überzeugt werden konnte. „Es konnten schon 150 Millionen Euro auf Basis einer 1,5 Milliarden-Euro-Bewertung als Wandeldarlehen abgeschlossen werden“, so Patrick Landrock. In Rekordzeit wurden Verträge für 39 Filialen in Deutschland und Österreich abgeschlossen.

Anfang 2022 war noch offen, wo die Gesellschaft, die langfristig mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen will, angesiedelt wird. Trotz des erfolgreichen Starts und der Tatsache, dass kitzVenture ein österreichisches Unternehmen ist, stieß Landrocks Engagement auf wenig Interesse seitens der österreichischen Politik. Die mögliche Ansiedlung der Firmenzentrale in Österreich schien Wien nicht zu interessieren. Eine Anfrage an das Wirtschaftsministerium im Jänner 2022 blieb unbeantwortet. In Deutschland war das Ansiedlungsinteresse um einiges größer. „So wird auch das Headquarter der Schlecker+ GmbH nun in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen, errichtet, davon rund 2.400 Quadratmeter Büro- und Sozialfläche und 36.000 Quadratmeter Lager“, teilte die kitzVenture GmbH unlängst mit. Anfänglich würden 250 Mitarbeiter in der Zentrale beschäftigt sein und 160 Arbeitsplätze im Bereich Verwaltung, Einkauf, Kundenservice und Entwicklung sowie 90 Stellen im Logistikbereich entstehen.

Trotz des Desinteresses der österreichischen Politik wird die Alpenrepublik langfristig vom innovativen Neuaufbau der bekannten Drogeriekette profitieren, weil der Großteil der Unternehmensanteile durch die kitzVenture GmbH und ein anderes österreichisches Unternehmen gehalten wird. Hinzu kommen die Steuereinnahmen durch die Filialansiedlungen und die österreichischen Online-Umsätze. In einem ersten Schritt sind sieben Schlecker-Filialen in Österreich und 32 in Deutschland geplant. Aber Österreich hat immer noch die Chance auf die Konzernzentrale. „Richtig ist, dass wir einen Standort in Nordrhein-Westfalen gefunden haben“, erklärte Landrock im Mai in einem neuerlichen Brief an die Bundesregierung. „Ob aus diesem nun aber die Unternehmenszentrale oder ein Landesstandort wird, können wir aktuell noch frei entscheiden.“

Die Eröffnung der ersten Filialen und der Start des Online-Shops ist für den 20. Oktober 2022 geplant.

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