München – Deutschlandweit erlebt die AfD derzeit ihr demoskopisches Allzeithoch und wirbelt damit die politische Landschaft durcheinander. Das aktuelle Forsa-Trendbarometer im Auftrag von RTL/ntv sieht die Partei bei 19 Prozent. Damit wäre sie im Falle einer Bundestagswahl die zweitstärkste Kraft im Land. In einer im Auftrag der „Bild-Zeitung vom INSA-Institut durchgeführten Umfrage kommt die AfD sogar auf 20 Prozent und liegt damit gleichauf mit der Kanzlerpartei SPD. Laut INSA können sich inzwischen 30 Prozent der Deutschen prinzipiell vorstellen, die rechtskonservative Partei zu wählen.
Bei den aktuellen Umfragen zur bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober 2023 liegt die AfD bei 12 Prozent und würde damit ihr Wahlergebnis vom Oktober 2018 verbessern. Damals holte sie zwischen Bad Kissingen und Berchtesgaden 10,2 Prozent der Stimmen und zog erstmals ins Maximilianeum als Sitz des Bayerischen Landtages ein. Bei der letzten Landtagswahl erlitt die CSU schwere Verluste von mehr als zehn Prozent und landete bei für sie enttäuschenden 37,2 Prozent. Die Christsozialen benötigten deshalb zum Regieren einen Koalitionspartner. Diese Rolle übernahmen die Freien Wähler von Hubert Aiwanger, die auf 11,6 Prozent zulegten. Zweitstärkste Kraft wurden mit 17,6 Prozent die Grünen, und die SPD landete mit 9,7 Prozent auf dem fünften Platz. Mit 5,1 Prozent zog die FDP nur äußerst knapp in den Bayerischen Landtag ein.
Dem gehören mindestens 180 Abgeordnete an, von denen 91 in den Stimmkreisen direkt gewählt werden und 89 über die Landeslisten der Parteien ins Parlament einziehen. Der aktuelle Landtag besteht aufgrund von 10 Überhang- und 15 Ausgleichsmandaten aus 205 Mitgliedern. Laut der neuesten GMS-Umfrage im Auftrag von SAT.1 Bayern würden dem neuen Landesparlament (ohne mögliche Zusatzmandate) 84 Abgeordnete der CSU, 29 der Grünen und 25 der AfD angehören. Die Freien Wähler kämen auf 22 Mandate und die Sozialdemokraten auf 20. FDP und Linke gingen leer aus, weil sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Hinter dieser theoretischen Sitzverteilung steht ein Umfragewert von 41 Prozent für die CSU und von 14 Prozent für die Grünen. Die AfD käme auf 12 Prozent der Stimmen, gefolgt von den Freien Wählern mit 11 Prozent und der SPD mit 10 Prozent. Für die FDP würden sich nur vier Prozent der bayerischen Wähler entscheiden und bei der Linken gar nur zwei Prozent ihr Kreuz machen. Die repräsentative Telefonbefragung des GMS-Instituts mit 1.001 Teilnehmern wurde im Zeitraum 31. Mai bis 5. Juni 2023 durchgeführt. Im Vergleich zur vorherigen Umfrage legen die AfD und die Freien Wähler jeweils um zwei Prozent zu, während Grüne und SPD zwei Prozent beziehungsweise einen Prozentpunkt einbüßen. Der CSU-Wert bleibt unverändert.
Die Ergebnisse der GMS-Umfrage vom 6. Juni lassen sich so zusammenfassen: Die CSU unter Markus Söder verpasst deutlich die absolute Mehrheit, bleibt aber mit großem Abstand die stärkste politische Kraft des Freistaates. Trotz Schwächelns behaupten sich die Grünen als zweitstärkste Partei. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz drei liefern sich die AfD, die Freien Wähler und die SPD, wobei derzeit die AfD wohl die besten Karten hat. Für die FDP stehen die Chancen auf einen Wiedereinzug eher schlecht, und die Linke kommt in Bayern nicht über den Status einer bedeutungslosen Kleinpartei hinaus.
Bei den Landtagsparteien ist die Frage der Spitzenkandidaten längst geklärt. Die ewige Staatspartei CSU, die nur von 1954 bis 1957 nicht den bayerischen Regierungschef stellte, geht mit Markus Söder ins Rennen. Der ist seit März 2018 Ministerpräsident und seit 2019 Parteivorsitzender. Auch die Grünen setzen auf personelle Kontinuität. Für sie soll die Doppelspitze aus Katharina Schulze und Ludwig Hartmann – beide sind Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion – dem negativen Bundestrend trotzen. Die Freien Wähler führt wieder Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in die Wahl, und der AfD steht das Duo Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm vor. Die SPD wird von Fraktions- und Landeschef Florian von Brunn angeführt, die FDP von Martin Hagen mit gleicher Funktion in Fraktion und Landespartei. Auf ihrem Nürnberger Parteitag im Mai 2023 kürte die CSU Markus Söder ohne Gegenstimme zu ihrem Spitzenkandidaten. Der 56-jährige Ministerpräsident und Parteichef bedankte sich für das einhellige Votum per Handzeichen und blickt der Wahl ziemlich gelassen entgegen. Mit einem erwartbaren Ergebnis jenseits der 40 Prozent kann er nach dem Urnengang im Herbst bequem mit den Freien Wählern weiterregieren, was er erklärtermaßen auch will. Eine Koalition mit den Grünen schließt er bis dato entschieden aus. In seiner Parteitagsrede schoss er sich auf die Ampel-Regierung im Bund ein. Besonders arbeitete er sich an den Grünen ab, denen er eine Umerziehungs- und Verbotspolitik ankreidete. „Bayern hat etwas Besseres als eine Ampel verdient“, beschwor er die Delegierten. „Das, was in Berlin nicht funktioniert, soll es auch in Bayern auf keinen Fall geben.“ Die Grünen hatten bereits im September 2022 Katharina Schulze und Ludwig Hartmann als Spitzenteam für die Landtagswahl aufgestellt. Auf dem Parteitag in Landshut stellten sich die Delegierten mit 95,3 Prozent der gültigen Stimmen hinter sie. „Bayern hat eine bessere Regierung verdient“, posaunte Schulze und griff Söder an. „Egomanen haben eindeutig ausgedient.“ Jede grüne Idee sei gut für das Land, behauptete sie. Grünen-Landeschef Thomas von Sarnowski erklärte: „Unser klares Ziel im Herbst 2023 ist: Wir wollen regieren.“ Dazu wird es wegen der beabsichtigten Fortsetzung der schwarz-orangen Koalition wohl nicht kommen. Außerdem sind die Grünen deutlich von ihren 17,6 Prozent der letzten Wahl entfernt.
Im März dieses Jahres machten die Freien Wähler auf einem Programmparteitag in Augsburg Hubert Aiwanger zu ihrem Spitzenkandidaten. Der einstimmig gewählte 52-Jährige nannte es die wichtigste Aufgabe seiner Partei, den Wohlstand Bayerns zu erhalten: „Energiewende, Zuwanderungsfragen, Bildungspolitik – das alles gelingt nur gemeinsam mit den Bürgern. Unsere Freie-Wähler-Wurzeln liegen in den Kommunen. Wir sind Bayerns Vor-Ort-Partei! Eine Politik ‚von oben herab‘ lehnen wir ab.“ Die grüne Friss-oder-stirb-Mentalität sei grundfalsch und menschenfeindlich. Die Landtagsabgeordneten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm ziehen als Spitzenkandidaten-Duo für die AfD in die Wahl. Ursprünglich wollte die Partei mit einem Team aus den sieben Listenführern antreten. Rund 350 Mitglieder beim Parteitag in Greding entschieden sich aber für die Tandem-Lösung. Ex-Fraktionschefin Ebner-Steiner kritisierte eine „korrupte Kartellparteien-Bande“, von der sie Bayern befreien wolle. Für ihre vier Kinder wünsche sie sich eine bayerische und deutsche Zukunft. Ihr Abgeordnetenkollege Böhm sah das Land in den Händen einer „kriegssüchtigen Elite abgehobener Globalisten“ und warnte vor kriminellen Migranten. Angesichts der krisenhaften Zuspitzung der Migrationslage wird die AfD ganz sicher mit der Forderung nach einer Zuwanderungsbegrenzung und mehr Abschiebungen in den Wahlkampf ziehen. SPD-Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn wurde von seiner Partei im letzten Oktober zum Spitzenkandidaten gewählt. Auf einem Landesparteitag in München bekam er 93 Prozent der Stimmen. Die Delegierten rief er in seiner Bewerbungsrede zu Geschlossenheit auf: „Zukunft und Zusammenhalt – das ist mein Versprechen für Bayern, und wir Sozis halten unsere Versprechen.“ Dem amtierenden Ministerpräsidenten warf er Verantwortungsscheue bei gleichzeitiger rhetorischer Kraftmeierei vor: „Wir reden nicht nur wie der Söder.“ Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP im Bayerischen Landtag, wurde im November 2022 zum Spitzenkandidaten gekürt. Dem Freistaat will er ein „liberales Update“ verpassen. „Die Zeiten sind hart, die Herausforderungen groß, die Menschen tief verunsichert. Aber umso wichtiger ist es, dass Liberale die Regierungspolitik prägen“, meinte er. Hagen setzt auf den „Ideenreichtum unserer Bürgerinnen und Bürger, ihren Fleiß und ihre Leistungsbereitschaft, ihren Forschergeist, ihren Gründergeist, ihren Pioniergeist und die enorme Innovationskraft unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft“. Momentan wäre seine Partei im neuen Landtag aber nicht vertreten. Schon bald beginnt in Bayern der eigentliche Wahlkampf.