Florian Fritsch legte den Posten als Aufsichtsratschef der Gropyus AG nieder (Bildquelle: Fritsch & Co)
Florian Fritsch legte den Posten als Aufsichtsratschef der Gropyus AG nieder (Bildquelle: Fritsch & Co)


Wien/Berlin – Die Start-up-Szene im deutschsprachigen Raum wurde ganz hellhörig, als Ende letzten Jahres schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten in der Spitze der Gropyus AG bekannt wurden. Der hochinnovative Immobilienentwickler hat sich dem klimagerechten Bauen und Wohnen verschrieben und gilt deshalb als ökologisch wegweisendes Musterunternehmen. Wegen der Differenzen zog sich der Unternehmensmitgründer Florian Fritsch aus der Aktiengesellschaft zurück, die mit ihrem Namen bewusst Erinnerungen an den Architekturrevolutionär und Bauhaus-Gründer Walter Gropius wecken will. Zum Bedauern vieler Marktkenner legte Fritsch im Oktober 2021 mit sofortiger Wirkung seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender nieder. Damit hat die Gropyus AG nicht nur einen versierten FinTech-Investor, sondern auch den charismatischen Visionär einer klimafreundlichen Immobilienwirtschaft verloren. Nach Medienberichten hat sich das Gründerteam heillos zerstritten. 2019 gründeten Markus Fuhrmann und Florian Fritsch den deutsch-österreichischen Fertighausbauer Gropyus und schufen damit eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Heute zählt das Unternehmen mit Hauptstandorten in Wien und Berlin sowie vier weiteren Dependancen rund 300 Mitarbeiter. Zum folgenreichen Streit soll es gekommen sein, weil das derzeitige Gropyus-Management mit der Bauland-Beschaffung ihres Partners unzufrieden war. Ein aufgetauchtes Protokoll legt nahe, dass der frühere Aufsichtsratschef seiner Firma ein eigenes Grundstück in der Nähe von Koblenz für rund neun Millionen Euro verkauft hat. Führte das zum Zerwürfnis? Die Gropyus AG bestritt das.

Offiziell hieß es, der 1978 geborene Schwabe wolle sich „verstärkt familiären sowie weiteren Projekten im Bereich Enviromental, Social & Governance widmen“. Mit dem Dreiklang von Environment, Social, Governance (ESG) ist das Eintreten für sozial-ökologische Werte in der Wirtschaftswelt gemeint. Immer mehr Kapitalanleger verlangen von Unternehmen die Einhaltung der ESG-Kriterien, um sicherzustellen, dass ihr Investment sozialen und ökologischen Erfordernissen gerecht wird und nicht nur der Gewinnmaximierung dient. Das ist auch genau die Haltung, für die Florian Fritsch steht. „Dem Nachhaltigkeitsprinzip verpflichtet, fördert Fritsch als Investor neben ambitionierten Unternehmen aus der Tech-Szene auch einen sozial verträglichen Umgang bei seinen Immobilieninvestitionen“, erfährt man auf der Internetseite des umweltbewegten Multi-Unternehmers. „Ausgewählte Hauskäufe werden subventioniert und dabei anfallende Kosten für Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen im überschaubaren Rahmen festgelegt. Der Verzicht auf bewusst hoch angesetzte Quotierungen, die meist in Form hoher Mietsteigerungen an Bewohner weitergegeben werden, spiegelt Fritschs Philosophie, die Zukunft von Immobilien läge in Nachhaltigkeit, treffend wider.“

Der Mann, der den Essenslieferdienst Delivery Hero mit einer gewaltigen Anschubfinanzierung auf das Erfolgsgleis geschoben hat und als einer der ersten Europäer Kapital in den E-Auto-Hersteller Tesla investierte, weiß um die Bedeutung der Bauwirtschaft für die Klimaentwicklung. Explodierende Mieten und Immobilienpreise verstellen oft den Blick darauf, dass die derzeitige Art des Bauens – zumal mit Beton und Stahl – eine sehr schlechte C02-Bilanz aufweist. Nach Schätzungen haben etwa 40 Prozent der globalen C02-Emissionen in irgendeiner Weise mit dem Bauen, Betreiben oder Abreißen von Gebäuden zu tun. Neben anderen Stoffen kann Holz als Ersatz für Beton und Stahl ein nachhaltiges und damit klimaschonendes Bauen ermöglichen. Genau das ist der unternehmerische Ansatz, den Fritsch mitentwickelt hat: neuartige Holzhybridbauten, die digital gefertigt und ausgestattet werden, sollen die klimagerechte „Bauwende“ einläuten. Dementsprechend verspricht Gropyus, Gebäude ressourcenschonend, langlebig und effizient zu errichten. Dafür will man die gesamte Wertschöpfungskette von der Grundstücksakquise über den Bau und die Vermietung bis zum finalen Rückbau abdecken.

Vor zwei Jahren erinnerte Florian Fritsch in einem Interview daran, wie er die Gropyus AG zusammen mit Markus Fuhrmann, Philipp Erler und anderen Idealisten gründete. Die Vorteile der neuartigen Holzbauweise beschrieb er so: „Wie in der Automobilindustrie fertigen wir mit Robotern im eigenen Werk. Die Holzhäuser sind in wenigen Wochen fertig. Baukosten und Bauzeit sind somit planbar. Damit wird ein häufig auftretendes Manko in der Baubranche behoben.“ Dass das Wort „Unternehmer“ von etwas „unternehmen“ kommt, bewies Fritsch schon in jungen Jahren. Nach dem Abitur machte er zunächst eine Ausbildung zum Rettungssanitäter und gründete dann ein Krankentransport-Unternehmen in der Nähe des Bodensees. Aber schon vorher – seit seinem 16. Lebensjahr – war er unternehmerisch tätig. Weil er für die Firma ein Gebäude baute, kam er zufällig zum Immobiliengeschäft. „Ich begann in Immobilienprojekte zu investieren und gleichzeitig mit jungen Unternehmern zu arbeiten.“ Seit nunmehr 15 Jahren arbeite er als „Business Angel“ und helfe jungen Gründern dabei, ihre Ideen in profitable Geschäftsmodelle zu verwandeln und ihre Visionen Wirklichkeit werden zu lassen, erläuterte er 2020.

Früh wurde das Interesse an sauberen und nachhaltigen Technologien aus den Bereichen Energie, Mobilität und Internet zur Triebfeder seiner Investorentätigkeit. Mit Kalrock etablierte Fritsch eine weltweit tätige Gesellschaft für Finanzberatung und Vermögensverwaltung, die sich der Förderung vielversprechender Start-ups mit Nachhaltigkeitsfokus verschrieben hat. Um die Folgen des Klimawandels mit eigenen Augen zu sehen, reiste der leidenschaftliche Hobbyfotograf in die Arktis. 2018 durchquerte der Naturfreund die Nordwestpassage, die durch das starke Abschmelzen der Eismassen für Schiffe weitgehend befahrbar geworden ist. Von dieser Reise postete er im August 2018 bei Facebook mehrere Bilder und schrieb dazu mit zahlreichen Hashtags: „#Ice irgendjemand? Entkommen der #hitzewelle. #Liebe unsere schöne Erde #planetearth – wir haben nur diese eine. #andiamoacomandare, #kyotoprotocol, #parisabkommen, #nachhaltig denken – kann auch Spaß machen.“

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