Erfindungsreichtum zeichnet die japanische Gesellschaft aus.
Erfindungsreichtum zeichnet die japanische Gesellschaft aus.

Japans Revolution in der kabellosen Stromversorgung 

Tokio - Smarte Kontaktlinsen, schlaue Stühle, denen niemals der Strom ausgeht – in Japan wird Science-Fiction zur Realität. „Drahtlose Stromversorgung für eine digitale Welt ohne Verkabelung“ steht selbstbewusst auf der Homepage der Firma AETERLINK, die von Yuji Tanabe in Stanford gegründet wurde. Ziel ist die „Entdrahtung von digitalen Datenübertragungsgeräten“. 

Kabellose Energieübertragung für eine kabellose digitale Welt

Jetzt hat das japanische Startup AETERLINK einen großen Coup gelandet: im November 2021 führte das Unternehmen diese Technik auf dem Markt ein, mit welcher sich Strom per Mikrowellen übertragen lässt. Zur Demonstration hat AETERLINK das Büro eines Baukonzerns mit Sendern sowie speziellen Empfängern ausgestattet. Mit den an der Decke befestigten Sendern sollen über das 920-MHZ-Band smarte Bürostühle mit Energie versorgt werden. Sobald diese Stühle besetzt sind, erfolgt eine Meldung an das Gebäudemanagement und ermöglicht dadurch zum Beispiel eine effizientere Steuerung der Klimaanlage. Weiter sollen damit auch Feuchtigkeits- und Beleuchtungssensoren, C02-Sensoren, Tür-, Fenster- und Bewegungssensoren gesteuert werden können. Die Hauptschwerpunkte liegen jedoch nicht nur im Gebäudemanagement, sondern nach eigenen Angaben in der Fabrikautomation (FA) sowie bei medizinischen Implantaten.

Im FA–Bereich setzt AETERLINK auf drahtlose und wartungsfreie Sensoren für Prozesse, bei welchen eine Trennung auftritt; beispielsweise durch bewegliche Teile oder ölige Prozesse, die eine Verkabelung schwierig machen. Dies ist hauptsächlich bei Herstellungsprozessen im Automobilbereich relevant, wo Unterbrechungen zu Leistungsstopps und damit zu finanziellen Verlusten führen, etwa im Bereich von Installationen an schwer zugänglichen oder schlecht verdrahtbaren Stellen. 

AETERLINK hat Leistungsempfänger in dezidierte IC-Chips umgewandelt, so dass diese in einer breiten Produktpalette ihre Anwendung finden können. Das drahtlose Stromübertragungssystem „Airplug“ ermöglicht eine drahtlose Energieübertragung bis zu 50 m und macht dabei eine Echtzeiterfassung von Informationen durch Hochgeschwindigkeits-Datenkommunikation möglich. „Wir möchten neue Sensornetzwerke schaffen, die über „physikalische Zwänge“ hinausgehen.“ schreiben die Japaner selbstbewusst auf ihrer Homepage. Mit ihrer omnidirektionalen Antenne ermöglicht AETERLINK auch eine Stromversorgung von beweglichen und rotierenden Körpern. Damit bieten die Japaner außerdem die Möglichkeit, diese Technologie für medizinische Geräte zu nutzen, die im menschlichen Körper eingebettet sind, wie beispielsweise Herzschrittmacher oder smarte Kontaktlinsen. Des weiteren sind implantierte Mensch-Maschine-Interfaces als Nutzungsgebiet im Gespräch.

Der Gründer von AETERLINK, Yuji Tanabe hat an der Universität Stanford an einer schnurlosen Aufladung von medizinischen Implantaten bei Herzschrittmachern mitgeforscht bzw. mitentwickelt. Nun möchte er den Markt in seinem Heimatland erschließen. 

Gefördert wird dieses Projekt von der japanischen Regierung, die mit dieser Technologie einen neuen Markt eröffnen möchte. Dazu soll eine extra Frequenz zur Übertragung freigegeben werden, die diese Übertragungsform jedoch vorerst nur in Gebäuden vorsieht und erlaubt. Ab 2024 wird eine drahtlose Übertragung im Freien erlaubt sein, wobei 3 Frequenzbänder freigegeben werden: in der Nähe von Menschen sind 920 MHz erlaubt in unbelebten Gegenden 2,4 und 5,7 GHz. Der japanische Mobilnetzanbieter Softbank beschäftigt sich ebenfalls mit dieser Technologie. Gemeinsam mit der Universität Kyoto sowie dem Kanzawa Institute of Technology arbeitet Softbank an Sendern, die dann in den Sendern von 5G-Mobilfunknetzen untergebracht werden sollen. Aktuell ist eine Reichweite von 10 Metern vorgesehen, die Softbank dann schrittweise auf 100 Meter erweitern möchte. Diese Technologie soll ab 2025 eingeführt werden.

In Japan wird insbesondere die neue Ära der Internet Of Everything Society (IoE) als Schlüssel für neue Innovation benannt. Der 6G- Standard, der 2029 an den Start gehen soll, geht bereits davon aus, dass die ioE- Gesellschaft mit ihren Standards in alle Lebensbereiche eingedrungen sein wird. 

So entfällt langfristig sicher nicht nur die lästige Suche nach Steckdosen für mobile Geräte. Hier ergeben sich vollkommen neue Anwendungen, wenn konventionelle Stromversorgungstechniken langfristig keine Rolle mehr spielen. Es wird für eine Explosion an Innovationen sorgen wie wir sie zuletzt durch Apple`s Smartphone – erlebt haben. Die Japaner sind definitiv die Vorreiter auf diesem Gebiet.


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