Frankfurt am Main – Es ist kaum übertrieben, Leonhard Fischer als „Banker-Legende“ zu bezeichnen, die aus der Medienberichterstattung über die deutsche Finanzbranche nicht wegzudenken ist. Das liegt einerseits an seinem beeindruckenden beruflichen Werdegang, andererseits an seinem wirtschaftspolitischen Urteilsvermögen und seiner Freigeistigkeit. Und bei allen biografischen Veränderungen erwies sich Fischer als ein Meister des Comebacks, was ihn noch zusätzlich interessant machte. „Man muss ein Stehaufmännchen sein“, sagte er selbst einmal lapidar.
Leonhard Fischer gilt bereits als Legende im Bankenwesen
1963 im Emsland geboren, studierte er zunächst Betriebswirtschaftslehre und stieg dann voller Elan als Trainee bei der Investmentbank J.P. Morgan ein. Dort schaffte er es innerhalb von nur sieben Jahren bis in die deutsche Geschäftsleitung. 1995 wechselte er zur Dresdner Bank, wurde 1999 Vorstandsmitglied und leitete ab dem Jahr 2000 deren Investmentbanking. Als die Dresdner Bank von der Allianz SE übernommen wurde, avancierte er im Frühjahr 2001 auch dort zum Vorstand. Nach seinem Ausscheiden wurde er 2003 CEO der CS-Versicherungstochter Winterthur und zeigte in kurzer Zeit, warum er im Ruf eines brillanten Analytikers und tatkräftigen Finanzmanagers steht. Seinen Wechsel zur Schweizer Versicherungsgruppe deuteten manche als eine Art Flucht aus Deutschland, nachdem er sich in der Allianz-Führung mit seinen innovativen Ideen für eine Reform des Investmentbankings der Dresdner Bank nicht hatte durchsetzen können. Bei der angeschlagenen Winterthur konnte Leonhard Fischer jedenfalls unter Beweis stellen, was in ihm steckt, wenn man ihn nur machen lässt.
2007 begann als Co-Chef des Finanzinvestors RHJ International ein neues Kapitel seiner beeindruckenden Laufbahn als Finanzexperte. 2014 übernahm die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft RHJI die BHF-Bank in Frankfurt am Main und benannte sich ein Jahr später in BHF Kleinwort Benson Group um. Leonhard Fischer wurde ihr CEO und erklärte nach der Übernahme der BHF, diese als Nischenanbieter und Alternative zu den Großbanken positionieren zu wollen. Man werde sich auf ausgesuchte Dienstleistungen und Finanzprodukte für vermögende Privatleute und Unternehmen konzentrieren. Kritik, dass dies keine wirkliche Nischenspezialisierung, sondern eher altmodische Geschäftspolitik sei, ließ der frühere Star-Investmentbanker nicht gelten. „Sich an der Vergangenheit zu orientieren, ist nicht altmodisch, sondern innovativ“, sagte er 2014 in einem Interview. Sein Argument: „Von den Neuerungen der vergangenen 20 Jahre haben wir viele total überschätzt. Viele Neuheiten sind nur Variationen derselben einfachen Grundideen. Wirklich neu war oft nur, dass die Finanzindustrie die Komplexität ihrer Produkte so lange erhöht hat, bis keiner mehr durchblickte.“ Diese Selbstüberschätzung in Verbindung mit Kontrollverlust führte 2008 schließlich zur großen Banken- und Finanzkrise.
Der Unterstützer der Frankfurt School of Finance & Management erklärte vor einigen Jahren gegenüber der „Wirtschaftswoche“, dass er aus Leidenschaft Banker geworden sei und dies immer bleiben werde: „Für mich gibt es keinen Grund, das Geschäft zu verdammen. Die Branche sieht heute anders aus. Die Zeiten explodierenden Wachstums sind vorbei. Das klassische Investmentbanking in Form der Beratung von Kunden und Investoren sowie der Beschaffung von Kapital auf den Finanzmärkten ist aber eine Kernaufgabe der Banken und wird es bleiben. Der Job ist kaum je spannender gewesen als heute.“ Diese Einschätzung hat Fischer, der sich von Freunden und engen Arbeitskollegen „Lenny“ nennen lässt, auch deshalb, weil er sich als „Frontline-Manager“ sieht. Als solcher will er Verantwortung übernehmen und ist immer bereit, in der ersten Reihe zu stehen. Er lässt zudem gerne andere von seinem Wissen profitieren. „Legendär waren Lenny Fischers Vorträge in den Boom-Jahren der späten 90er – und auch heute noch lässt er regelmäßig unsere MBA-Studierenden an seinen Erfahrungen teilhaben. Die Veranstaltungen sind einer der Höhepunkte des Semesters“, erinnert sich Professor Dr. Udo Steffens. Der frühere Präsident der Frankfurt School of Finance & Management spricht in höchsten Tönen von dem Gelegenheitsreferenten: „Seine Sicht der Dinge, seine Einschätzung möglicher zukünftiger Entwicklungen der Märkte sind immer eine Quelle der Inspiration und Anlass zu kritischer Reflexion der eigenen Position.“
Auch Fachblätter suchen regelmäßig das Gespräch mit dem Liebhaber expressionistischer Kunst und schneller Autos. Im April 2009 wollte das „Handelsblatt“ von dem Emsländer wissen, wo und warum Banker und Politiker in der großen Finanzkrise versagt haben und welche Folgen die hemmungslose Schuldenpolitik haben wird. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Krise letztlich dadurch entstanden ist, dass in den USA und vielen anderen Ländern zu viele Bürger zu viel Schulden gemacht hat, um sich Dinge zu kaufen, die sie sich nicht leisten können und die sie wahrscheinlich auch nicht brauchen“, erläuterte der frühere Finanzinvestor. Man könne die Schuldenkrise nicht überwinden, indem man die Menschen in anderen Teilen der Welt animiere, „noch mehr Schulden zu machen, um sich wieder Dinge zu kaufen, die keiner will oder braucht und die man sich oft nicht leisten kann“. Gerade in den westlichen Ländern müsse man einsehen, dass man schlicht über seine Verhältnisse gelebt habe.
Seine Sicht der Dinge hat der „Banker mit Wunderkind-Zertifikat“, wie es das „Manager-Magazin“ formulierte, in dem Buch „Es waren einmal Banker: Warum das moderne Finanzsystem gescheitert ist“ (2017) niedergeschrieben. „Ich war sehr lange leitender Angestellte, bin dankbar für eine tolle Karriere, möchte aber in den nächsten 20, 30 Jahren lieber unternehmerisch tätig sein“, erzählt Fischer. „Und das Buch ist als Übergang gedacht.“ Zusammen mit seinem Co-Autor Arno Balzer analysiert er gewohnt fundiert die Geschichte des nationalen und globalen Finanzwesens einschließlich der Fehler und Versäumnisse der Finanzpolitik. Er kritisiert, dass die Zeche für die Krise der Jahre 2008/09 die Sparer zahlen müssen, die durch Nullzinsen schleichend enteignet werden. „Deshalb sage ich sehr bewusst und sehr provokativ, es gibt keinen Kapitalmarkt mehr, die Zentralbanken sind der Kapitalmarkt geworden“, unterstreicht der Ex-Manager. „Alle Preise für alle Finanzgüter, die sie heute haben, sind manipuliert. Von der Zentralbank. Bewusst. Über den Zins, der auf alles wirkt bis zum Aktienkurs.“ In dem Buchkapitel „Anlegen in Zeiten der Cholera“ hält Lenny Fischer eine klare Empfehlung bereit: „Weniger sparen, sich nicht übermäßig verschulden, in die natürlichen Ressourcen unseres Planeten investieren und in Lebensfreude.“