Peter Thiel (Jahrgang 1967) gilt als raffinierter Stratege
Peter Thiel (Jahrgang 1967) gilt als raffinierter Stratege


Wien – Es war ein Paukenschlag, als Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz Anfang Dezember 2021 ankündigte, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen. Erst im Oktober war der Jungstar der europäischen Konservativen wegen Untreue-Vorwürfen vom Amt des Bundeskanzlers zurückgetreten, aber zunächst noch Vorsitzender der ÖVP geblieben. Doch vor vier Wochen erklärte der 35-Jährige seinen grundsätzlichen Abschied von der aktiven Politik und begründete diese Entscheidung mit der Geburt seines Sohnes, die ihm gezeigt habe, dass es noch Wichtigeres als Politik gebe. Außerdem hätten die Korruptionsvorwürfe, die er nochmals zurückwies, seine Begeisterung für Politik geschmälert. „Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher“, sagte Kurz Anfang Dezember. „Ich freue mich auf den Tag, wo ich vor Gericht beweisen kann, dass die Vorwürfe gegen mich schlicht und einfach falsch sind.“ Mit diesen Worten endete der kometenhafte Aufstieg eines politischen Naturtalents. Das „Handelsblatt“ zog diese anerkennende Bilanz: „Er hat seine Volkspartei radikal modernisiert und damit aus einer langen Phase des politischen Abstiegs befreit. Er hat zwei Nationalratswahlen gewonnen, was in der ÖVP trotz struktureller konservativer Mehrheit im letzten halben Jahrhundert sonst nur ein einziges Mal gelang, und wurde zweimal zum Bundeskanzler gewählt. Sein Charisma, politisches Gespür und junges Alter werden in Erinnerung bleiben.“

Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz heuert beim Tech-Investor Peter Thiel an

Sofort wurde darüber spekuliert, was der Ex-Kanzler mit weltweit besten Kontakten nun beruflich machen würde. Zuletzt verdichteten sich Gerüchte, wonach Kurz eine neue Stelle in der Technologiebranche in Aussicht habe. Dann kam gewissermaßen die Bestätigung in Form eines Berichts der auflagenstarken „Kronen Zeitung“. Demnach übernimmt der frühere Chef der türkis-grünen Bundesregierung bei einer Anlagefirma die nicht näher definierte Funktion als „Global Strategist“. Die Stelle als „Globaler Stratege“ soll Sebastian Kurz im ersten Quartal 2022 bei der Investmentfirma „Thiel Capital“ des deutsch-amerikanischen Investors Peter Thiel antreten, der sich mit seinem finanziellen Engagement für Facebook, als Mitinitiator der Datenanalysefirma Palantir sowie als Co-Gründer der Online-Bezahlplattform PayPal einen Namen machte. Zudem investierte er in die Online-Bank N26 und den Musikstreaming-Anbieter Spotify. Thiels erfolgreicher Investmentfonds ist im kalifornischen Silicon Valley beheimatet, also genau dort, wo zahlreiche große Hightech- und Internetfirmen ihren Sitz haben.

Risikokapitalgeber verdiente mit PayPal, Facebook und anderen Hightech-Unternehmen Milliarden

Laut dem Nachrichtenportal „Heute“ kennen sich Kurz und der Milliardär seit Jahren. In dieser Zeit hätten sie sich nie aus den Augen verloren und mehrfach persönlich getroffen. Von der Münchner Sicherheitskonferenz 2017 existiert ein gemeinsames Bild, zu dem der Österreicher auf Twitter schrieb: „Großartig, Dich kennengelernt zu haben. Danke für die Möglichkeit.“ Schon damals sollen sich die beiden über Fragen der Digitalisierung ausgetauscht haben. „Kurz hat ein Faible für Kalifornien und seine Tech-Giganten. Er reiste wiederholt als Außenminister und Kanzler an die West Coast der USA“, schrieb „Heute“. Der Ex-Politiker erklärte, künftig zwischen der Westküste der USA und Europa pendeln zu wollen. Lebensmittelpunkt der jungen Familie soll aber Wien bleiben. Stellungnahmen zur innenpolitischen Lage Österreichs werde er als „Privatmann“ keine abgeben.

Damit hätte sein Arbeitgeber Peter Thiel aber vermutlich gar keine Probleme. Der 1967 in Frankfurt am Main geborene Sohn deutscher Eltern wuchs in den USA auf und hat neben der deutschen und neuseeländischen natürlich auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Der Jurist mit einem Philosophie-Bachelor ist überzeugter Republikaner, der mit Spenden Ex-US-Präsident Donald Trump unterstützte. Thiel ist eben wirtschaftlich liberal und politisch konservativ eingestellt, was ihn für linksgepolte deutsche Medien gleich zur Gefahr macht. Das Magazin „Spiegel“ nannte den versierten Tech-Investor dieser Tage einen „intellektuellen Provokateur“ und fragte gleich besorgt: „Wie gefährlich ist der neue Chef von Sebastian Kurz?“ Verschiedene Zeitungen erinnerten in vorwurfsvollem Ton daran, dass der lange Zeit politisch kaum in Erscheinung Getretene 2016 auf dem Parteitag der Republikaner erklärte: „Ich fordere alle meine amerikanischen Mitbürger auf, Donald Trump zu wählen.“

Thiel, der als Risikokapitalgeber mit PayPal, Facebook und anderen Hightech-Unternehmen Milliarden verdiente, ist aber in erster Linie ein visionärer Investor, der ein feines Gespür für Entwicklungen mit Renditepotenzial hat. Man ist mitunter überrascht, in welche in den USA unbekannten Unternehmen er investiert. Vor einem Jahr wurde publik, dass er auf eine Firma aus dem Saarland setzt. Das Insurtech Neodigital konnte für eine Kapitalerhöhung in zweistelliger Millionenhöhe Elevat3 Capital als Lead-Investor gewinnen, und Thiel ist einer der Ankerinvestoren des europäischen Wagniskapitalfonds. Damit steht der digitale Schaden- und Unfallversicherer aus Neunkirchen auf der Förderliste des US-Investors. Neodigital-Mitgründer und -Vorstand Stephen Voss sagte: „Wir erhalten durch die weitere Finanzierungsrunde die Möglichkeit, neue Projekte anzugehen.“ Das Start-up ist Deutschlands erster vollkommen digitalisierter Versicherer mit Bafin-Lizenz, der Privathaftpflicht-, Hausrat-, Fahrrad-, Handy- und Tierhalterhaftpflichtversicherungen anbietet. Dieses vollautomatisierte Konzept hat Peter Thiel offenbar überzeugt, der mit seinem Neodigital-Investment unterstreicht, wie wichtig ihm die Förderung der Digitalisierung ist.

Deshalb ist er ein großer Anhänger von Kryptowährungen. Umso staunenswerter war, dass er sich im Frühjahr 2021 gegen die digitale Leitwährung Bitcoin ausgesprochen hat. Im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung der Richard Nixon Foundation stellte er die Frage, ob der „Bitcoin nicht zum Teil als eine chinesische Finanzwaffe gegen die USA“ anzusehen sei. Er selbst sei ein großer Krypto-Fan: „I‘m a pro-crypto, pro-Bitcoin maximalist person.“ Allerdings könne der Bitcoin auch eine Gefahr für die USA und den Dollar sein. Die Digitalwährung bedrohe nicht nur klassische Währungen als Zahlungsmittel, sondern ganz besonders die Position des Dollars. Wenn China gezielt in den Bitcoin investiere, müssten sich die Vereinigten Staaten „aus geopolitischer Perspektive“ einige Fragen stellen. An der Diskussionsrunde nahmen neben Thiel auch Trumps früherer Außenminister Mike Pompeo sowie Ex-Sicherheitsberater Robert O‘Brian teil. Der Investor und Tech-Visionär kritisierte bei seinem Auftritt ausgerechnet Konzerne aus dem Silicon Valley und warf ihnen vor, die chinesische Position zu stärken. So sei es dem Google-Mutterkonzern Alphabet praktisch egal, ob seine Technologien in China zur Unterdrückung der Uiguren eingesetzt würden. Die US-Behörden müssten die Interessenverquickung der Tech-Riesen genau unter die Lupe nehmen. Das sagte Peter Thiel auch mit Blick auf den Apple-Konzern, der große Teile seiner Produkte in China herstellen lasse, „wo die Arbeitsstandards lockerer sind als in den USA und Europa“. Selbst Facebook, das er als einer der ersten Investoren groß machte, schonte der Republikaner nicht. In undemokratischer Weise habe das soziale Netzwerk Donald Trump „entplattformt“, was „geradezu Zensur“ gewesen sei.

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