Investor Florian Fritsch hat die Gropyus AG verlassen (Quelle: Facebook)
Investor Florian Fritsch hat die Gropyus AG verlassen (Quelle: Facebook)


Wien – „Unsere Vision ist es, ein nachhaltiges Leben für alle zu ermöglichen“, lautet der hohe Anspruch des deutsch-österreichischen Fertighausbauers Gropyus. Die namentlich an den Bauhausgründer Walter Gropius angelehnte Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Wien, Nebensitz in Dornbirn sowie Tochtergesellschaften in Berlin, Richen, Steinhaus und Ruggell will mit einer innovativen Fertighaustechnik einen Beitrag zum ökologisch nachhaltigen Bauen leisten. In diesem Sinne heißt es: „Wir nutzen unser eigenes Gebäudesystem, fertigen Elemente in unserer Fabrik vor, entwickeln unser eigenes Gebäudebetriebssystem und modernisieren mit starker End-to-End-Digitalisierung alle Aspekte des Immobilienlebenszyklus. Dieser Ansatz versetzt uns in eine erstklassige Position, um längst fällige Veränderungen in der Baubranche herbeizuführen.“ Als Beispiel führt das Unternehmen sein Gebäude „Im Wohnpark Nette 6“ an, das gegenüber einem Referenzgebäude 95 Prozent des Treibhausgaspotenzials einsparen soll. Die Gropyus AG verweist auf die großen Dekarbonisierungsmöglichkeiten bei Wohngebäuden und lobt den eigenen Ansatz. Basierend auf einem ganzheitlichen Verständnis der Wertschöpfungskette sorge man für ein barrierefreies und bezahlbares Wohnen bei gleichzeitiger Ressourcenschonung. „Alle unsere Bemühungen, den CO2-Fußabdruck von Gebäuden über ihren gesamten Lebenszyklus zu reduzieren, sind Teil unserer Mission und führen zu unserem Deep-Sustainability-Ansatz.“

Dafür erhielt das Start-up viel Anerkennung und wohlwollende Berichterstattung. Von weiterem öffentlichem Interesse war das Gründerteam des Immobilienentwicklers. Das gilt insbesondere für die Tech-Köpfe Markus Fuhrmann und Florian Fritsch. Der eine baute den Dax-Konzern Delivery Hero auf, während der andere das Startkapital für den Essenslieferdienst beisteuerte. Fritsch investierte zudem als einer der ersten Europäer in den E-Auto-Hersteller Tesla, verdiente am Verkauf des IoT-Start-ups Relayr und kaufte sich später bei der insolventen indischen Airline Jet Airways ein.

Vor drei Jahren hoben Fuhrmann und Fritsch die Gropyus AG aus der Taufe. Die Idee war, ebenso moderne wie ökologisch nachhaltige Fertighäuser zu bauen, technologisch auszustatten und dann ertragreich zu vermieten. „Gropyus ist das erste Bauunternehmen, das den Bewohner als User ins Zentrum stellt – und nicht unbedingt denjenigen, der uns die Immobilie abkauft“, schwärmte Fritsch 2020 in einem Interview mit dem Magazin „Forbes“. Mit einem eigenen „Betriebssystem“ wollte er Mietern nicht nur ein Dach über dem Kopf anbieten, sondern auch eine Vielzahl digitaler Services. Der Technik-Visionär interessierte sich neben der Hardware, also den Gebäuden selbst, für Software-Optionen zur Individualisierung des Wohnens. In dem Interview erläuterte Florian Fritsch: „So wie bei einem Tesla, bei dem man sich die eigene Spotify-App auf den Bordcomputer spielen kann, werden auch un­sere Mieter über ein Betriebssystem verfügen. Alle Funktionen des Hauses können darüber gesteuert werden.“ Entscheidend war für den Jugend-Feuerwehrmann und ausgebildeten Rettungssanitäter jedoch, „leistbaren Wohnraum zu schaffen“. Holz ist der nachhaltige Hauptbaustoff, der bei den Gropyus-Fertighäusern genutzt wird. Das alles faszinierte Harald Mahrer, den Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich, der deshalb Anteile am Unternehmen erwarb. „Bei Gropyus stimmten für mich die Vision, das Team und das Potenzial“, sagte er vor zwei Jahren. „Florian Fritsch und Markus Fuhrmann sind Serienunternehmer, die das alles auch auf den Boden bringen können.“

Doch im Herbst letzten Jahres begannen Meinungsverschiedenheiten das Klima zwischen den beiden Partnern zu trüben. Die Differenzen steigerten sich zu unüberbrückbaren Gegensätzen, die schließlich zum offenen Bruch führten. Ende Oktober 2021 legte Mitgründer Fritsch seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender mit sofortiger Wirkung nieder. Laut offizieller Darstellung will er sich fortan „verstärkt familiären sowie weiteren Projekten im Bereich Enviromental, Social & Governance widmen“. Gerüchteweise soll aber ein handfester Streit in der Unternehmensspitze ausschlaggebend für den Rückzug gewesen sein. Das Management soll unzufrieden mit Fritschs Arbeit gewesen sein, der für Gropyus Bauland zu akquirieren hatte. „Ein besonderer Grundstücksdeal kam derweil zustande“, meldete Anfang dieses Jahres die Wirtschaftszeitschrift „Capital“. Laut einem Sitzungsprotokoll des Aufsichtsrates habe Fritsch ein ihm gehörendes Grundstück bei Koblenz zu einem Preis zwischen acht und zehn Millionen Euro an Gropyus veräußert. „Ob der Deal ursächlich war für den Streit? Die Firma verneint.“ Wenngleich das Unternehmen diesen Streitgrund dementiert, kocht die Gerüchteküche weiter. Offenbar aus Solidarität mit dem Ausgeschiedenen kehrte Gisbert Rühl, Ex-CEO des Industriekonzerns Klöckner, dem Gremium den Rücken. Trotz der Turbulenzen ist es der Gropyus AG Ende vorigen Jahres wohl gelungen, frisches Geld einzuwerben. „Capital“ nennt eine Summe zwischen 70 und 90 Millionen Euro. Die neu eingestiegenen Investoren seien Christian Angermayer und Rolf Elgeti.

Fritsch, der sich als „Vollblutunternehmer“ sieht, der ständig in neue Ideen investiert, dürfte auch nach seiner Zeit bei Gropyus neue Betätigungsfelder finden. Dieser Mensch sei „ein Unternehmer, wie er im Buche steht“, der „eine visionäre Sichtweise hat wie kaum jemand, den ich kenne“, sagte fast bewundernd Harald Mahrer. Auf seiner eigenen Internetseite bezeichnet sich Florian Fritsch als „Deutschlands erfolgreicher Investor für Tech-Start-ups“. Sein Interesse für nachhaltige Investmentmodelle begründet er damit, dass er als leidenschaftlicher Fotograf schon früh die Schönheit der Natur eingefangen habe. „Der Klimawandel und dessen unmittelbar sichtbare Folgen blieben dem Fotografen, der sich aktiv für den Umweltschutz einsetzt, nicht verborgen.“ Wie fragil die Erde sei, habe er bei einer Expedition in die Arktis erlebt.

Mehr als diese Umwelt-Rhetorik interessiert Marktbeobachter eine andere Meldung, die gerade im Netz die Runde macht. Mit Datum von 21. Juni 2022 heißt es, dass Fritsch, bis dato stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der GFJ ESG Acquisition I SE, sein Amt und seine Aufgaben niedergelegt habe. Die Nachricht ist eine Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß § 17 Abs. 1 der EU-Verordnung Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung). Bei der GFJ ESG Acquisition I SE handelt es sich um eine sogenannte Special Purpose Acquisition Company (SPAC), die einen Zusammenschluss mit einem etablierten europäischen Technologieunternehmen anstrebt, das sich auf ESG-bezogene Technologien konzentriert, die den Weg zur Dekarbonisierung unterstützen. Die Fachjournalisten werden an Fritsch einige Fragen haben.

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