Michaela Kaniber(CSU) ist Bayerns Landwirtschaftsministerin
Michaela Kaniber(CSU) ist Bayerns Landwirtschaftsministerin


Bayerisch Gmain – Das Umfragehoch der Freien Wähler (FW), denen die sogenannte Flugblatt-Affäre ihres Vorsitzenden Hubert Aiwanger überhaupt nicht zu schaden scheint, lässt bei der Neuauflage des schwarz-orangen Regierungsbündnisses in Bayern Veränderungen im Söder-Kabinett erwarten. Angesichts der Umfragewerte von 16 bis 17 Prozent können die FW-Leute bei der Landtagswahl am 8. Oktober mit deutlichen Stimmengewinnen rechnen und werden dafür mehr politische Gestaltungsmacht beanspruchen. Aiwanger pochte bereits mehrmals auf das Landwirtschaftsministerium als viertes Ministeramt für seine Partei. Er selbst hat freilich keine Ambitionen auf den Posten als Agrarminister und will lieber Wirtschaftsminister bleiben. Mittelfristig sieht er sein Betätigungsfeld sogar eher im Bundestag, sollten die Freien Wähler auch außerhalb Bayerns ein politischer Faktor werden.  

Laut Medienberichten kursiert in Parteikreisen der Name Ulrike Müller als mögliche neue Landwirtschaftsministerin und damit als Nachfolgerin von Amtsinhaberin Michaela Kaniber. Müller gehört seit neun Jahren dem EU-Parlament an und kandidiert jetzt erneut für den Bayerischen Landtag, dem sie schon einmal angehörte. Sollte Aiwanger die Allgäuerin tatsächlich zur Agrarministerin machen wollen, muss er jedoch mit dem erbitterten Widerstand der CSU rechnen, die das von Kaniberprofessionell geführte Landwirtschaftsministerium auf keinen Fall aus den Händen geben will. Der Verzicht auf dieses christsoziale Kern- und Bekenntnisressort hätte einen historischen Charakter. Seit Kriegsende stellte die CSU mit Ausnahme der Jahre von 1954 bis 1957 immer den bayerischen Landwirtschaftsminister. Die bisherige Ministerin Michaela Kaniber, 1977 in Bad Reichenhall geboren und heute in Bayerisch Gmain wohnend, genießt in ihrer Partei hohes Ansehen und kann bei den Koalitionsverhandlungen deshalb mit viel Rückendeckung für ihren Verbleib im Amt rechnen.

Um die auftrumpfenden Freien Wähler in die Schranken zu weisen, hat sich Ministerpräsident Markus Söder schon jetzt auf eine Ministerpersonalie festgelegt und der Oberbayerin eine Art Job-Garantie gegeben. Beim jüngsten CSU-Parteitag sagte er ungewohnt deutlich: „An die Freien Wähler! Bei allem Respekt – keine Hoffnung! Die CSU wird das Landwirtschaftsministerium unter Michaela Kaniber behalten.“ Bei den Delegierten brandete nach diesem Bekenntnis zur gelernten Steuerfachangestellten starker Applaus auf. Einer Boulevard-Zeitung sagte sie danach: „Ich fühle mich geehrt. Aber natürlich muss zuerst die Wahl entschieden werden.“ Söder schwant, dass er den Freien Wählern ein weiteres Ministerium überlassen muss, sollten sie bei der Landtagswahl tatsächlich an die 17-Prozent-Marke herankommen und damit fünf Prozent zulegen. Bislang stellen sie drei Minister für die Bereiche Wirtschaft, Schule und Umwelt. Landwirtschaft soll definitiv nicht dazukommen, geht es nach der CSU.

Michaela Kaniber gilt als sympathisch und umgänglich

Kaniber, die seit dem März 2018 das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten leitet, hat ihr Ohr immer bei den Landwirten und Tierzüchtern. Lange vor ihren Amtskollegen aus anderen Bundesländern nahm sie die Sorgen der Nutztierhalter vor Wolfsübergriffen ernst und ergriff geeignete Gegenmaßnahmen. Den oberbayerischen Almbauern machen inzwischen Wölfe und sogar Bären das Leben schwer, weil immer mehr Schafe gerissen werden. Ab jetzt dürfe der Wolf schneller „entnommen“ werden, wenn er auffällig oder gefährlich sei, versicherte Bayerns Landwirtschaftsministerin Ende April dieses Jahres. Das gelte schon für den ersten Riss. „Wir handeln, sonst stirbt die Almwirtschaft“, betonte die verheiratete Mutter dreier Kinder. Die Schutzmaßnahmen würden auch für verhaltensauffällige und gefährliche Bären gelten: „Wir wollen und können es nicht erst so weit kommen lassen wie in Italien, dass ein Bär einen Menschen angreift und tötet. Bislang ist der Bär in Bayern nur sehr selten, die Wölfe aber sind inzwischen immer weiter verbreitet.“ Der Ministerin ist aber bewusst, dass „Tierschützer“ gegen die aktive Regulierung der Wolfsbestände vor Gericht ziehen können: „Wir haben eine sehr wirksame und solide Regelung geschaffen. Die grundlegende Lösung hat die Bundesregierung in der Hand. Sie muss dafür sorgen, dass der Schutzstatus des Wolfes dringend abgesenkt wird.“ Schließlich nehme die Population ständig zu, weil der Wolf keine natürlichen Feinde habe. Laut der internationalen Naturschutzorganisation (IUCN) seien die Raubtiere in Europa überhaupt nicht mehr gefährdet. „Und wenn sie auffällig werden oder gar Menschen angreifen, muss man handeln“, unterstrich Michaela Kaniber.

 

Der Umgang mit der Wolfsproblematik beschäftigte auch die Herbst-Agrarministerkonferenz, die vom 20. bis 22. September 2023 in Kiel stattfand. Weitere Top-Themen auf der Agenda waren die Entbürokratisierung, der Umbau der Nutztierhaltung sowie die Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Die Zeit der Lippenbekenntnisse für den Bürokratieabbau sei abgelaufen, sagte Kanibernach Abschluss des Treffens. „Die Menge und Dichte an Vorgaben raubt unseren Landwirten sprichwörtlich die Luft zum Atmen, denn sie kommen immer weniger raus aus dem Büro. Das nimmt ihnen die Leidenschaft und Liebe zum Beruf. Wir als Gesellschaft verlieren wesentliche Akteure auch beim Klima- und Naturschutz, wenn Betriebe aufgeben.“ 

 

Ein weiteres Anliegen ist der 46-Jährigen der Umbau der Nutztierhaltung mit Augenmaß und nicht mit der ideologischen Brechstange. Die CSU-Politikerin sieht es kritisch, dass die Europäische Union im Zuge des „Green Deals“ in kürzester Zeit immer neue Vorschläge mit teils widersprüchlichen Zielsetzungen und kleinteiligen Regelungen vorlegt. Sie befürchtet, dass die massiven und kaum noch zu überblickenden Bewirtschaftungseinschränkungen zu spürbaren Einkommensrückgängen und neuen Unsicherheiten bei den deutschen Nutztierhaltern führen. „Die Menschen auf dem Land fühlen sich nicht mehr ausreichend verstanden“, warnt die Ministerin. Die Auflösung der sogenannten Borchert-Kommission bedauert sie ausdrücklich, weil dadurch das fatale Signal in den ländlichen Raum gesendet werde, dass richtungsweisende Vorschläge von erfahrenen Experten auf blankes Desinteresse stoßen. Im Sinne der Kommission gelte es, den Umbau der Tierhaltung auf der Basis eines tragfähigen Konzepts und einer verlässlichen Finanzierung voranzutreiben. Mit Blick auf das Tierwohlprogramm „BayProTier“, das neben den Schweinen die Mast- und Aufzuchtrinder umfasst, sagte Michaela Kaniber: „Wir in Bayern lassen jedoch unsere Tierhalter auf keinen Fall ohne Perspektive im Regen stehen. Förderung und Vorgaben gilt es so zu gestalten, dass die Betriebe mehr Tierwohl auch praktisch – ohne viel Bürokratie – umsetzen können.“ So wirkt der Freistaat auch Betriebsverlagerungen ins Ausland entgegen, ist die Christsoziale überzeugt.

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