Vaduz – Die Politik in Liechtenstein wird international wenig wahrgenommen. Das liegt allein schon daran, dass das Fürstentum mit seinen rund 38.500 Einwohnern und 160 Quadratkilometern Fläche der sechstkleinste Staat der Erde und nicht gerade ein Brennpunkt des Weltgeschehens ist. Manchmal schlägt die Innenpolitik aber solche Wellen, dass es größere Berichterstattung in den Nachbarstaaten Schweiz und Österreich gibt.
Endlos-Prozess gegen Dr. Aurelia Frick nur eine Justiz-Farce?
In deren Mittelpunkt stand immer wieder die promovierte Juristin Aurelia Frick. Zehn Jahre lang – von März 2009 bis Juli 2019 – gehörte sie der Regierung Liechtensteins an und war als Regierungsrätin unter anderem für Äußeres, Bildung und Sport zuständig. Regierungsräte sind alle Regierungsmitglieder des Fürstentums, die nicht Regierungschef sind. Man kann somit auch einfach von Ministern sprechen. 2008 wurde Frick von der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) als Regierungsratskandidatin nominiert und ins Wahlrennen geschickt. Mit Erfolg: Im März 2009 trat sie in die Regierung von Klaus Tschütscher ein. Nach der Wahl 2013 war sie das einzige alte Regierungsmitglied, das der neuen Regierungsmannschaft unter Adrian Hasler angehörte. Auch nach dem Urnengang 2017 blieb Aurelia Frick Mitglied der liechtensteinischen Regierung. Weil in der Fortschrittlichen Bürgerpartei für Regierungsräte eine Amtszeitbeschränkung auf maximal drei Legislaturperioden gilt, war für die in St. Gallen geborene Politikerin das Ende ihrer Karriere als Ministerin absehbar. Im April 2019 ließ sie in einem Interview aber durchblicken, sich das Amt als Regierungschefin vorstellen zu können.
Die frühere Liechtensteiner Regierungsrätin Aurelia Frick gilt als Modernisiererin
Das schien in ihrer Partei nicht jedem zu gefallen, da ihre bisherige Amtszeit als Regierungsrätin alles andere als skandalfrei war. Wie stichhaltig die Vorwürfe außereherlicher Liebschaften und verschwenderischen Umgangs mit Steuergeldern sind, lässt sich nicht eindeutig sagen. Das frühere Image als „Sauberfrau“ hatte die Spitzenjuristin jedenfalls schon verloren, als ihr das liechtensteinische Parlament am 2. Juli 2019 in einer namentlichen Abstimmung das Vertrauen entzog. Nur zwei Abgeordnete des 25-köpfigen Hauses stimmten gegen den von der Opposition eingebrachten Misstrauensantrag. Die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten vertrat die Meinung, dass das Vertrauen zur langjährige Außen-, Kultur- und Justizministerin unwiderruflich zerrüttet sei. Erbprinz Alois nahm den Antrag auf Amtsenthebung an, weil auch er die nötige Vertrauensbasis für eine einvernehmliche Regierungsarbeit als nicht mehr gegeben ansah.
Elf Monate später sorgte die Staatsanwaltschaft dafür, dass die „Causa Frick“ wieder dem Vergessen entrissen wurde. Laut dem leitenden Staatsanwalt Robert Wallner wurde Anklage gegen die Ex-Regierungsrätin und ihren Generalsekretär René Schierscher erhoben. Die „Neue Zürcher Zeitung“ meldete im Juni 2020: „Konkret wirft die Anklage den Beschuldigten vor, ihre Befugnisse bei der Abgeltung von Beratungsleistungen externer Berater wissentlich missbraucht zu haben. Ferner hätten Frick und Schierscher mit Vorsatz das Recht des Parlaments auf Überprüfung, wie die bewilligten Kredite verwendet wurden, zu umgehen versucht.“ Die Beschuldigten bestritten die Tatvorwürfe umgehend. „Im Zuge weiterer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich doch eine strafbare Handlung entdeckt“, notierte die „NZZ“ im selben Artikel. Die Anklage verweise auf die wissentliche Übertretung von amtlichen Befugnissen und erachte durch dieses Vorgehen den Tatbestand des „Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt“ als erfüllt.
So kam es zum Prozess gegen die frühere Ministerin und Schierscher wegen des Vorwurfs, das Staatsbudget für überbordende Beraterhonorare überzogen und missbraucht zu haben. Der deutsche Rechtsanwalt Prof. Dr. Michael Nagel schrieb mit Datum vom 19. Oktober 2021: „Am 27. Januar 2021 fand die erste von insgesamt drei öffentlichen Gerichtsverhandlungen wegen Amtsmissbrauch vor dem Kriminalgericht statt. Im Vorfeld wurde in den Medien intensiv über das Verfahren berichtet. Für die Medien war klar, dass es zu einer Verurteilung kommen musste. RR Frick wurde weder im Vorfeld noch an den Verfahrenstagen von den Medien angesprochen oder kontaktiert.“ Frick sei im Vorfeld des Prozesses mehrmals polizeilich vernommen worden. „Sowohl die Polizei wie auch die Staatsanwaltschaft gingen bei ihren Ermittlungen nur den belastenden Hinweisen nach. Den entlastenden Aspekten wurde kein Augenmerk gegeben; der Sachverhalt wurde nicht umfassend ermittelt“, kritisierte Nagel. Am dritten und letzten Verfahrenstag wurden Frick und ihr Mitangeklagter wegen des Vergehens der Täuschung zu einer bedingten Geldstrafe von 40.000 CHF verurteilt. Vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs wurden beide freigesprochen. „Rückblickend scheint es für das Gericht schon von vornherein klar gewesen zu sein, dass der Tatbestand des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nicht erfüllt war“, glaubt der Hannoveraner Rechtsanwalt. Trotzdem habe das Gericht der Politikerin kein Gespräch zur außergerichtlichen Einigung angeboten, sondern den Prozess gegen sie öffentlichkeitswirksam mit einem Fünfersenat geführt. Gegen das Urteil legten Frick, ihr Generalsekretär und die Staatsanwaltschaft Berufung ein.
Weil die haushaltspolitischen und finanzrechtlichen Gesetze, auf deren Basis Aurelia Frick und René Schierscher angeklagt wurden, schwer zu durchdringen sind, hatten die beiden Prof. Dr. Nicolaus Raschauer, Dr. Andreas Batliner und Prof. DDr. Peter Lewisch als Gutachter bestellt. Michael Nagel resümierte: „Nach Lektüre der Gutachten und mittlerweile weitgehenden Kenntnissen aus den Verfahrensakten komme ich zu dem Urteil, dass bereits die Einleitung des Ermittlungsverfahrens rechtlich unzulässig war und das Verfahren gegen RR Frick mit einem Freispruch enden wird. Ich werde daran im kleinen Rahmen des mir Möglichen mitwirken, Frau Frick wird zudem sehr gut im dortigen Strafverfahren vertreten.“ Der deutsche Anwalt, der auch Altkanzler Gerhard Schröder vertritt, meint, dass es bei dem ganzen Verfahren nur darum gehe, das hohe Ansehen von Dr. Frick zu zerstören. „Aufgrund der spezifischen Liechtensteiner ‚Machtstrukturen‘ – so will ich diese hier mal bezeichnen – will ich versuchen, sie von Deutschland aus dabei zu unterstützen, einen Weg der Rehabilitierung zu finden.“
Die liechtensteinische Justiz scheint jedoch ernsthafte Prozessgründe zu sehen. Im September 2021 entschied das Fürstliche Obergericht, dass sich mit dem Fall der früheren Regierungsrätin und ihres Generalsekretärs erneut das Landesgericht beschäftigen muss. Im März 2022 berichteten Medien, dass der Fall wieder vor dem Kriminalgericht landet. „Gleich zwei Rückschläge für Aurelia Frick: Zum einen wird das Amtsmissbrauchsverfahren neu aufgerollt, zum anderen sind weitere Ermittlungen bezüglich Parteiengründung möglich“, berichtete das „Liechtensteiner Vaterland“ unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Das Verfahren wegen des Missbrauchs der Amtsgewalt sollte eigentlich am 25. Mai stattfinden. Das Landgericht teilte jedoch mit, dass die Schlussverhandlung auf den 17. August verschoben wird. Die Angeklagten hätten nämlich einen Verlegungsantrag gestellt, dem man stattgegeben habe. Wann endet diese scheinbar endlose Geschichte?