Vancouver – Lithiumhydroxid ist ein zentraler Bestandteil der Akkus für Elektroautos und kam in der benötigten Reinheit bislang vor allem aus China. Laut Andrew Miller, dem Lithium-Experten eines auf Akku-Rohstoffe spezialisierten Marktforschungsunternehmens, war das außerhalb Chinas erzeugte Lithiumhydroxid in der Vergangenheit für die Akkuherstellung meist ungeeignet. Um ihre Wertschöpfungsketten von China unabhängiger zu machen, wollen die allermeisten Endkunden ihre Nachschublinien ganz grundsätzlich diversifizieren. So kam die naheliegende Idee auf, das Hydroxid des Lithiums – eine zwar starke, in Wasser aber nur mäßig lösliche Base – in deutschen Raffinerien so aufzubereiten, dass es in der Produktion für Elektroautobatterien genutzt werden kann. Entscheidend ist die Gewinnung von Lithiumhydroxid im benötigten Reinheitsgrad. Die europäischen Batteriehersteller und Autobauer haben erkannt, wie zweckmäßig es ist, die Elektroautobatterien direkt vor Ort zu produzieren. 2019 wurde bekannt, dass das Bergbauunternehmen Deutsche Lithium in alten erzgebirgischen Bergwerken nach Lithiumkarbonat schürfen will. Die gestiegenen Preise durch den wachsenden Bedarf machten den Abbau des Rohstoffes rentabel, hieß es.
Das kanadische Unternehmen „Rock Tech Lithium“ verspricht nichts Geringeres als eine „Elektromobilitätsrevolution“ und will die Automobilindustrie mit hochqualitativem Lithiumhydroxid „Made in Germany“ beliefern. Ziel ist es, mit jedem Gramm Lithium dauerhaft Emissionen zu reduzieren und dafür im ostbrandenburgischen Guben eine Lithiumhydroxid-Fabrik zu errichten. „Unter Einhaltung der höchsten Standards investieren wir sowohl am Beginn der Wertschöpfungskette in unser eigenes Mineralienprojekt in Kanada, als auch in die weitere Verarbeitung mit unserem ersten in Deutschland geplanten Lithiumhydroxid-Konverter“, erklärt das Cleantech mit Hauptsitz in Vancouver. „Wir bauen unseren Weg zu einem Lithiumunternehmen mit geschlossenem Kreislauf, welches Lithium für eine sauberere Zukunft nutzt und wiederverwendet.“
Bei der Herstellung von Lithiumhydroxid für Elektrofahrzeugbatterien setzt Rock Tech auf einen deutschen Hightech-Konverter, um eine maximale Lieferketten-Transparenz und eine Just-in-time-Lieferung zu gewährleisten. Mit einer geplanten jährlichen Produktionskapazität von 120.000 Tonnen Lithiumhydroxid wird Rock Tech voraussichtlich 30 Prozent der Industrienachfrage decken und will sich damit als europäischer Marktführer positionieren. Das Unternehmen bezieht seine Rohstoffe von den sich zu 100 Prozent im Eigenbesitz befindenden Grundstücken am kanadischen Georgia Lake und anderen nachhaltig produzierenden Minen. Um eine wesentliche Lücke im Clean-Mobility-Sektor zu schließen, hat Rock Tech nach eigenen Angaben eines der stärksten Branchen-Teams zusammengestellt. Das Unternehmen betont, sich an sämtliche ESG-Standards zu halten. ESG steht für „Environment, Social, Government“ beziehungsweise „Umwelt, Soziales, Unternehmensführung“. Anhand dieser drei Kriterien bewerten immer mehr Investoren, ob Geldanlagen ihren ökologischen, sozialen und ethischen Wertvorstellungen entsprechen.
Unter der Leitung von CEO Dirk Harbecke und seinem Stellvertreter Stefan Krause will Rock Tech Lithium mit der Fabrik in Guben richtig durchstarten. Schon im Februar 2022 reichte das Unternehmen die Unterlagen für die erste Teilgenehmigung des Baus seines Lithiumhydroxid-Konverters ein. Der Fahrplan war eng mit der verfahrensführenden Behörde, dem Landesamt für Umwelt (LfU), abgestimmt. Der erste Teilantrag konzentrierte sich auf die Genehmigung von Gebäuden, Straßen sowie der Basisinfrastruktur. Zeitgleich wurde die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit des Projektes sowie die Umweltverträglichkeit geprüft. Der zweite Teilantrag betraf die eigentlichen Produktionsanlagen. Mit einem weiteren Teilantrag wurden abschließend die Versorgungsanlagen und Nebengebäude vorgestellt. Harbeckes Vorgänger Markus Brügmann sagte vor einem Jahr: „Der erste Teilantrag stellt für uns einen wichtigen Schritt von der Planung zur Umsetzung unseres Lithiumhydroxid-Konverters in Guben dar. Wir freuen uns weiter auf die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt und der Stadt.“ Die Produktionsanlage für batteriefähiges Lithiumhydroxid soll nach ihrer Fertigstellung jährlich 24.000 Tonnen für die Batterien von 500.000 Elektroautos produzieren. Das Investitionsvolumen veranschlagte das Unternehmen auf fast 470 Millionen Euro. „Unser Ziel ist es, das erste Unternehmen weltweit zu sein, das einen geschlossenen Kreislauf für Lithium schafft“, erläuterte Dirk Harbecke. Aber die Pläne sind noch ehrgeiziger: Bis 2030 sollen 50 Prozent der eingesetzten Rohstoffe nicht mehr aus den unternehmenseigenen Minen Kanadas kommen, sondern aus dem Recycling von Altbatterien. Weil die Nachfrage so groß ist, soll es offenbar nicht bei einer deutschen Fabrik für Lithiumhydroxid bleiben. Harbecke zufolge könnten europaweit vier weitere Fabriken entstehen, um sich von China unabhängig zu machen. Im August 2022 gab Rock Tech Lithium eine strategische Partnerschaft mit Mercedes-Benz bekannt. Wenn die Rohstoffe den erwarteten Qualitätskriterien genügen, wird das Unternehmen ab 2026 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid an den Weltkonzern und seine Batteriepartner liefern.
Ende letzten Jahres schlossen die Kanadier eine Projektstudie für den Bau und Betrieb des Lithiumhydroxid-Konverters und der Raffinerieanlage in Guben ab. Die Studienergebnisse zeigten eine deutliche Wirtschaftlichkeitsverbesserung verglichen mit der vorangegangenen Konstruktionsstudie. „Unser Guben-Konverter ist ein außergewöhnliches Projekt, da er dazu beitragen wird, den steigenden Bedarf an Lithiumhydroxid in Batteriequalität zu decken. Außerdem wird es die regionalen Lieferketten stärken, indem es einen neuen Weg für Spodumenkonzentrate nach Europa bietet“, erklärte die Geschäftsführung. Dirk Harbecke rechnete mit Blick auf den Inflationsdruck und die löchrigen Lieferketten vor: „Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass die aktuellen Spotmarktpreise für Spodumen und Lithiumhydroxid stabil bleiben, würde sich der heute angenommene Wert (NPV) unseres Konverters vor Steuern erheblich auf 4,3 Milliarden US-Dollar und einen IRR von 37,5 Prozent erhöhen.“
Mitte Januar 2023 informierte Rock Tech Lithium, dass mit Erlaubnis des Landesumweltamtes die Bodenarbeiten in Guben beginnen können. Demnach hat das LfU die Zulassung für den Baubeginn des europaweit ersten Lithiumhydroxid-Konverters erteilt. Dort sollen künftig rund 150 Mitarbeiter Beschäftigung finden. Die geplante Investitionssumme liegt nach wie vor bei rund einer halben Milliarde Euro. Nach jetzigem Stand wird das Cleantech in Brandenburg ab dem zweiten Quartal 2025 hochreines Lithiumhydroxid in Batteriequalität für E-Auto-Akkus herstellen und damit die Verkehrswende vorantreiben.