Nicht jede Familie wird glücklich, aber dieses Modell ist erstrebenswert
Nicht jede Familie wird glücklich, aber dieses Modell ist erstrebenswert

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – Lassen Sie uns zwischendurch kurz über Werte reden! Was sie sind, und wofür wir sie brauchen, und warum wir sie verlieren. Werte sind die Richtschnur einer Gesellschaft, keine geschriebenen Gesetze, sondern unsichtbare Regeln, an denen wir uns als Gesellschaft entlang bewegen, um unser Miteinander einfach und respektvoll zu gestalten. Bereits kleine Kinder, wenn sie mit dem, was man gemeinhin „Erziehung“ nennt, konfrontiert werden, lernen diese Werte und ihre kleinen und großen Regeln kennen.

Ein Wert ist beispielsweise die Achtung vor menschlichem Leben. Weder eine Person noch ein Staat haben das Recht, einen anderen Menschen umzubringen. Weder eine Person, noch ein Staat haben das Recht, einen anderen Menschen über Gebühr an der Gesundheit zu schädigen. Das beginnt bei der Schulhofrangelei: Wer am Boden liegt, der ist besiegt, und da wird auch nicht auf den Kopf getreten und das auch noch gefilmt. Es endet bei der Todesstrafe: Selbst der mieseste Mörder und Kinderschänder hat ein Recht, weiterzuleben.

Andere Werte betreffen den Themenkreis „Anstand und Respekt“. Man rotzt in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht auf den Boden oder legt seine Füße auf den Tisch, und nur Geisteskranke tauchen in Badehose und Gummiflossen zu einer Beerdigung auf, weil sie anschließend ins Schwimmbad wollen. Es gibt zwar kein Gesetz, das all die genannten Dinge verbietet – aber, wie die Omma sagte, das „macht man einfach nicht“.

Ein weiterer Wert ist die Familie, so kitschig es klingen mag: Vater, Mutter, Kind. So sieht sie aus, die klassische Familie. Trotz Scheidungsraten von über 50 Prozent, in asozialen Familien auch häuslicher Gewalt, aber sie funktioniert trotz allem immer noch ganz gut, die traditionelle Familie, die ihren Kindern Wärme, Geborgenheit und Sicherheit gibt und ihren Eltern im Alter Hilfe gewährt. So ist es, bei allen Verwerfungen, seit Jahrtausenden normal und üblich.

Zu diesem traditionellen Grundgerüst existiert jetzt der Gegenentwurf der „progressiven Lebensgemeinschaft“, in der jeder alles sein kann, in der permanent nicht nur die Lebenspartner und deren Anzahl, sondern diese möglicherweise auch per Akklamation ihr Geschlecht ändern. Ein Modell, dass natürlich für die traditionellen Familien keinerlei Attraktivität hat, da es weder für die Erwachsenen und erst recht nicht für die in solchen Gemeinschaften lebenden Kinder Konstanten, Halt und Sicherheit – oder, schlicht: Werte – vermittelt. Alles ist fluide, alles kann sich von heute auf morgen ändern, was gestern richtig war, ist heute falsch und umgekehrt.

Vom Grunde her wäre dies unproblematisch, wenn nicht diese „progressiven Lebensentwürfe“ ihre Art zu leben als „gesellschaftliche Norm“ und „gleichwertig“ durchzudrücken bestrebt wären und nicht auf „normale“ oder, besser, „klassische“ Familien losgingen. Das fängt bei der Frühsexualisierung von Kindern im Kindergarten an, geht über die Medien bis hin zur omnipräsenten Regenbogenflagge und der Quasi-Verpflichtung zur Akzeptanz „progressiver“ Lebensentwürfe, ja, sogar zu deren Darstellung als erstrebenswerte Form des Zusammenlebens. Die klassische Familie ist dadurch zum „Feindbild“ der Progressiven geworden, da sie immer noch als die von der Mehrheit am Meisten erstrebenswerte Form des Zusammenlebens gewählt wird. Schlicht, weil sie nach wie vor besser funktioniert. Frustrierend, geradezu beleidigend für „progressive Lebensgemeinschaften“.

Die „Progressiven“ sabotieren deshalb ganz gezielt tradierte Werte und alles, was damit zusammenhängt, um den Vergleich zu verhindern, weil der direkte Vergleich deren ganze Hässlichkeit entlarven würde. Mit „tradierten Werten“ sind in diesem Kontext Fleiß, Ordnung, Disziplin und Selbstdisziplin, Bildungsstreben, Anstand, etc. gemeint. Unmittelbar damit zusammen hängen Dinge wie Familie, Kultur, Traditionen, Sprache, Kunst oder Wissenschaft. Mit anderen Worten: Die „Progressiven“ blasen zum Großangriff auf das Bürgertum. Alles soll gleich und gleichwertig sein. Das bösartige Instrument der Gleichmacherei funktioniert aber nur eingeschränkt, denn die Erklärung zur „Gleichwertigkeit“ aller Dinge, Menschen und Kulturen sowie aller Lebensstile und Werte hält Menschen nicht davon ab, instinktiv zu begreifen, dass beispielsweise eine Mutter, die ihre Kinder zusammen mit ihrem liebenden Mann in geordneten Verhältnissen und einem schönen Zuhause großzieht, etwas viel Attraktiveres (in jeder Hinsicht) ist als eine promiske, gepiercte, tätowierte junge Frau im unordentlichem Appartement, geprägt nur von ausschweifendem Lebensstil und Nachlässigkeit mit Körper und Geist.

Diesen Vergleich und das instinktive Begreifen, was wirklich gut und schön ist, stellt deren ganze Weltbilder in Frage, also sabotieren und bekämpfen sie alle diese Werte und alles, was diese Werte versinnbildlicht. Menschlich ist das verständlich, weil Faulheit, Nachlässigkeit undsoweiter bequem sind, und wenn dies dann auch noch Bestätigung durch die Gesellschaft erfährt, fühlen sich viele gut damit. Deshalb sind klassische Familien in allen Belangen eine Gefahr für das progressive Weltbild, und deshalb streben die „Progressiven“ so sehr nach der „offiziellen“ Zurechnung zur „Normalität“.

Im Zusammenhang mit der Recherche zu diesem Artikel habe ich unter anderem ein Interview mit einem ehemaligen Bergarbeiter der „Wismut“ geführt, dessen geringstes Problem heute „gendergerechte Sprache“ ist. Der brachte es mit dem knappen Satz auf den Punkt: „Wer hart unter Tage arbeitet, der hat keine Zeit, darüber nachzudenken, ob er im richtigen Geschlecht geboren wurde. Der will einfach nur seine Familie ernähren und freut sich abends auf ein schönes Heim“. In dem niemand seine Füße auf den Tisch legt oder auf den Boden rotzt.

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