Holzhäuser sind eigentlich klassisch. Aber die Brüder Markus und Alexander Fuhrmann haben neue Ideen dazu entwickelt.
Holzhäuser sind eigentlich klassisch. Aber die Brüder Markus und Alexander Fuhrmann haben neue Ideen dazu entwickelt.


Wien – Als Mitgründer von „Delivery Hero“ und „Lieferheld“ ist Markus Fuhrmann im deutschsprachigen Raum längst eine Start-up-Legende. Die in Berlin ansässige Delivery Hero SE ist Betreiber von digitalen Bestell- und Lieferplattformen für Mahlzeiten und andere Lebensmittel. Der „Spiegel“ schrieb 2016: „Die Restaurantlieferplattform betreibt in Deutschland Lieferheld und Pizza.de, ist aber weltweit aktiv. Investoren bewerten Delivery Hero mit knapp drei Milliarden Euro. Damit zählt das Berliner Unternehmen zu den wertvollsten Tech-Firmen Europas.“ Doch inzwischen ist die Luft für Delivery Hero viel dünner geworden, vielleicht auch, weil Fuhrmann aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.

Die Brüder Alexander und Markus Fuhrmann haben oft einen guten Riecher

Der gebürtige Österreicher, der das Start-up 2011 aus der Taufe hob, ist wegen seines unternehmerischen Tatendrangs das, was man einen „Seriengründer“ nennt. Nach seinen Mega-Erfolgen mit verschiedenen Online-Essenslieferdiensten gründete er die Investmentfonds Cavalry Ventures und Bitkraft. 2019 startete er sein neues Projekt Gropyus, das die ganze Baubranche revolutioniert. Der neue Ansatz besteht darin, dass Roboter vollautomatisch Häuser konstruieren und so den sozial-ökologischen Wohnungsbau wesentlich günstiger machen. Seine Begeisterung für technische Problemlösungen weckte eine Chemielehrerin. „Sie hat in mir das Interesse an Wissenschaft und Technologie geweckt und es fantastisch verstanden, schwierige Dinge einfach zu erklären“, erinnert sich Fuhrmann. „Diese Erfahrung – und MacGyver – haben mich dann auf den Weg gebracht, eine Ausbildung zum Biochemie-/Genetik-Ingenieur zu machen.“ Seit seiner Zeit bei Delivery Hero, dessen Geschäftsmodell auf der Software der von ihm 2008 in Österreich mitgegründeten Bestellplattform Mjam beruht, hat der Gropyus-Gründer viel über Geduld gelernt. Zugleich räumt er ein, es in einem sehr dynamischen Marktumfeld schwer auszuhalten, auf Dinge zu warten und die Kontrolle abzugeben. Das sei aber wichtig, um Mitarbeitern und Geschäftspartnern mehr Raum zu geben. Der Start-up-Profi sagte unlängst in einem Interview: „Ich werde immer ein wenig ein Dickkopf bleiben, der auf Dinge, die mir wichtig erscheinen, sehr schnell und mit viel Energie und Emotion reagiert. Daher ist es mir wichtig, ein Team um mich zu haben, das diese Stärke nutzen kann und einen guten Gegenpol darstellt.“

Fuhrmanns langjährige Führungserfahrung scheint nun besonders gefragt zu sein, weil es nach Medienberichten zu Differenzen im Gründungsteam des Fertighausbauers Gropyus gekommen ist. Vor drei Jahren begann er zusammen mit Florian Fritsch die Idee zu realisieren, mittels neuester Technologie Fertighäuser zu entwickeln und zu vermieten. „So wie bei einem Tesla, bei dem man sich die eigene Spotify-App auf den Bordcomputer spielen kann, werden auch unsere Mieter über ein Betriebssystem verfügen“, schwärmte Fritsch über die ehrgeizigen Digitalisierungspläne für die Wohnraumausstattung. Unter dem Stichwort „Smart Home“ sollen die Wünsche der Bewohner bestmöglich berücksichtigt werden, indem Hardware- und Software-Komponenten verbunden werden. Unternehmensseitig heißt es zu diesem Automatisierungsangebot: „Ob es um die Steuerung von Beleuchtung, Raumtemperatur oder Schlössern geht oder die Auswahl von Film- oder Bettzeitszenen: Unsere Bewohner haben stets maximalen Komfort zur Hand – auf Wunsch auch, ohne einen Finger zu rühren.“ Das sogenannte Building Operating System dient der ganzheitlichen Gebäude-Optimierung und hilft den Mietern, ihr Verbrauchsverhalten so zu verändern, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch weiter sinkt.

2020 – und damit schon ein Jahr nach seiner Gründung – flossen in das innovative Unternehmen rund 40 Millionen Euro. Daran soll auch der österreichische Wirtschaftskammerpräsident und ÖVP-Politiker Harald Mahrer beteiligt gewesen sein, der Gropyus eine „einzigartige Kombination aus hocherfahrenen Unternehmern, Weltklasse-Team und genialer Geschäftsidee“ nannte. Trotz der Erfolgsgeschichte der ersten echten Technologiefirma der Baubranche legte Florian Fritsch im letzten Oktober seinen Posten als Aufsichtsratschef nieder. Aber dem Vertrauen der Geldgeber scheint das keinen Abbruch zu tun, solange Markus Fuhrmann an Bord ist. Das Fachmagazin „Capital“ schrieb im Januar 2022: „Trotz des Umbruchs gelang es dem Start-up bereits Ende des vergangenen Jahres neues Geld einzuwerben. Es soll sich um eine Summe zwischen 70 und 90 Millionen Euro gehandelt haben, bei einem Firmenwert von rund 350 Millionen Euro, heißt es aus dem Firmenumfeld. Viel Geld für ein Unternehmen in einer so frühen Entwicklungsphase. Gropyus will die Zahlen nicht kommentieren.“

Schon eine kurze Beschäftigung mit dem nach Bauhaus-Gründer Walter Gropius benannten Unternehmen macht deutlich, dass man es viel eher mit einer ökologischen Hightech- als mit einer konventionellen Baufirma zu tun hat. Durch die gezielte Nutzung der Chancen, die Robotik und Automatisierung bieten, soll Wohnen gleichermaßen nachhaltig und sozial gestaltet werden. Mit seiner robotergestützten Produktion von Holzhybrid-Bausystemen will Fuhrmann der Bauwirtschaft zeigen, wie nachhaltiges Bauen aussieht. Dazu sagt er: „Wir nutzen nachwachsende Rohstoffe und setzen bei der automatisierten Produktion auf volle Transparenz. Unsere Roboter können gar nicht produzieren, wenn sie nicht wissen, wo welche Schraube und welcher Nagel hingehören. Außerdem lassen sich unsere Wohnungen unkompliziert wieder auf- und abbauen und alle Bestandteile am Ende wieder trennen.“ Wichtig ist dem Baumodernisierer, dass er ein fertiges Produkt aus einer Hand mit einer durchgehenden Wertschöpfungskette anbieten kann. Es versteht sich fast von selbst, dass die Holzhybrid-Gebäude höchste Standards europäischer Zertifizierungsprogramme erfüllen.

Für Markus Fuhrmann geht es darum, dass die Immobilien während ihres Lebenszyklus mehr Ressourcen schaffen als verbrauchen. Sein erklärter Anspruch ist die deutliche Senkung von CO2-Emissionen und damit ein echter Beitrag zum Klimaschutz. Durch die Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle erreichen seine Immobilien einen „Netto-Null“-Energiebetrieb. „Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, ein ressourceneffizientes Produktdesign und die automatisierte Bauteilproduktion reduzieren unseren ökologischen Fußabdruck“, betont der CEO.

Die Gropyus AG als Holding-Gesellschaft im Bereich der Immobilienentwicklung hat ihren Hauptsitz in Wien und unterhält eine Zweigstelle im vorarlbergischen Dornbirn. Zur Unternehmensgruppe gehören außerdem die Gropyus Engineering GmbH in Steinhaus bei Wels, die Gropyus Capital AG im liechtensteinischen Ruggell, die Gropyus Technologies GmbH in Berlin sowie die Gropyus Production GmbH im hessischen Richen. Alexander Fuhrmann, der Bruder des Firmengründers, ist bei Gropyus Engineering, Gropyus Capital, Gropyus Technologies sowie Gropyus Production als Prokurist tätig. Anders als das mediengefragte Start-up-Talent aus der eigenen Familie hält er sich lieber im Hintergrund und trägt im Stillen zum beachtlichen Unternehmenserfolg bei.

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