Den Haag – Der Gas- und Ölkonzern Shell ist im dritten Quartal 2021 aufgrund der Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten überraschend in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand in den Monaten Juli bis September ein Verlust von 447 Millionen US-Dollar (385 Mio Euro) nach einem Gewinn von 3,4 Milliarden US-Dollar im zweiten Quartal, wie der britisch-niederländische Konzern am Donnerstag mitteilte. Grund war eine Abschreibung von 5,2 Milliarden US-Dollar auf die Bewertung von Terminkontrakten für Rohstoffe, die das Unternehmen zur Absicherung von Schwankungen auf den Märkten abgeschlossen hatte.
Nun sorgt Shell erneut für Schlagzeilen in den internationalen Wirtschaftsnachrichten: Der niederländisch-britische Ölkonzern wird seine Doppelstruktur aufgeben und ganz nach London ziehen, wo zukünftig der alleinige Steuersitz sein wird. Das mutet etwas wie eine Flucht aus der EU an, werben die Briten seit dem Brexit um erfolgreiche Unternehmen.
Auch der Vorstandsvorsitzende Ben van Beurden und seine Finanzchefin Jessica Uhl ziehen in die britische Metropole um. Ein schwerer Schlag für Den Haag. Man sei „unangenehm überrascht“ formulierte der geschäftsführende Wirtschaftsminister Stef Blok von der rechtsliberalen Partei VVD des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in einer ersten Stellungnahme.
Shell begründete die Entscheidung unter anderem mit einer einheitlichen Aktienstruktur, die dem Unternehmen Rückkäufe erlaube. Die Anteilseigner sollen am 10. Dezember über den Plan abstimmen. Aus dem offiziellen Namen „Royal Dutch Shell“ werden sowohl das „Königliche“ als auch das „Niederländische“ gestrichen, der Konzern heißt dann wohl nur noch Shell.
Über die Gründe für den Abzug von Shell, vor kurzem auch dem Anzug des Lebensmittel- und Waschmittelkonzerns Unilever von Rotterdam nach London, wird spekuliert. Denn die Niederlande, fünftgrößte Volkswirtschaft der EU, gelten als ausgesprochen wirtschaftsfreundlicher Standort mit einer phantastischen Infrastruktur mit dem internationalen Flughafen Schiphol und dem gewaltigen Hafen von Rotterdam. Viele internationale Konzerne haben ihren Sitz deshalb in den Niederlanden.
Analysten gehen davon aus, dass bei Shell und Unilever auch die sogenannte Dividendensteuer eine entscheidende Rolle gespielt haben wird. Mark Rutte hatte deshalb schon vor Jahren geplant, diese Steuer, die es in Großbritannien nicht gibt, abzuschaffen. Doch letztlich tauschte Unilever seine Führung aus und zog um.