Cevdet Caner gilt als genialer, aber auch als umstrittener Geschäftsmann.
Cevdet Caner gilt als genialer, aber auch als umstrittener Geschäftsmann.


Luxemburg – Im letzten November schrieb die „Wirtschaftswoche“ in einem Beitrag zur Entwicklung der Immobilienwirtschaft: „Ein Geschäftsmann mit zweifelhaftem Ruf ist ein Strippenzieher hinter Adler Real Estate. Sein Einfluss in der Immobilienszene ist wohl noch viel größer – und in seinem Dunstkreis laufen merkwürdige Geschäfte.“ Diese eher kryptischen Worte waren auf den türkischstämmigen Immobilienberater Cevdet Caner aus Österreich gemünzt. Als Gewährsmann für die Kritik an seinem Geschäftsgebaren präsentierte das Wirtschaftsmagazin ausgerechnet einen Bezirkspolitiker der Hamburger Linkspartei. Das ist insofern überraschend, als Linke Immobilieninvestoren nie vorurteilsfrei begegnen, sondern sie aus Prinzip unter den Generalverdacht des „Heuschreckentums“ stellen.

Fast zeitgleich berichtete das „Handelsblatt“ über andere Vorwürfe, denen sich Caner ausgesetzt sieht. Der Shortseller Fraser Perring hatte ihn förmlich zum Superbösewicht der Immobilienbranche erklärt und damit für einige Turbulenzen gesorgt. Auf der Internetseite seiner Analysefirma Viceroy Research hatte der Brite einen 61-seitigen „Report“ veröffentlicht, der den gebürtigen St. Pöltner massiv an den Pranger stellt. Unter der reißerischen Überschrift „Bond-Bösewichte“ warf Perring der Adler Group nicht weniger als Betrug und Täuschung ihrer Geldgeber vor. Nutznießer der kriminellen Geschäftspraktiken soll ein regelrechtes Netzwerk um Caner sein, der als so etwas wie ein Schatten-CEO von Adler agiere. Neben dem persönlich Angegriffenen bestritt auch der Wohnungskonzern die Vorwürfe und versprach maximale Aufklärung. Trotzdem brach die Adler-Aktie schon am Tag der Veröffentlichung des „Reports“ um rund 30 Prozent ein.

Caner nannte den Viceroy-Chef daraufhin einen „kriminellen Dummkopf“ und verwies darauf, dass sich der Leerverkäufer schon mehrfach für seine Berichte verantworten musste. Im letzten Oktober teilte eine Berliner Anwaltskanzlei mit, dass sie wegen des vernichtenden Berichts Strafanzeige gegen Perring und andere Beteiligte gestellt habe. Cevdet Caner versicherte gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ treuherzig: „Nichts ist wahr, keine einzige Zeile.“ Über den Shortseller sagte er: „Fraser Perring hat einen Bericht vorgelegt, von dem ich gar nicht weiß, ob er diesen Namen verdient. Er behauptet darin Dinge, die durch nichts gedeckt sind. Perring ist ein Betrüger.“ Von der Tageszeitung direkt auf die Betrügereien angesprochen, die der Brite ihm wegen seiner Rolle als Adler-Großaktionär unterstellt, konterte der österreichische Immobilieninvestor: „Das wird einfach behauptet. Perring versucht mich als eine Art Schattenmann darzustellen, der im Hintergrund die Fäden zieht. Das ist unwahr. Es gibt dafür keine Belege. Diese den Markt manipulierenden Falschbehauptungen sind kriminell.“

Nach dem Interview legte sich der Pulverdampf etwas, wenngleich in Fachkreisen in Erinnerung blieb, dass Cevdet Caner als Berater der Adler-Gruppe ordentlich abkassierte. „Der umtriebige Immobilienberater nutzte seine persönlichen Kontakte zu Finanziers und Immobilienmagnaten, um für die Adler-Gruppe Geschäfte zu machen“, schrieb das „Handelsblatt“. Aber kann man ihm das vorwerfen?

Im Juli 2022 machte der Niederösterreicher, der einer großen türkischen Migrantenfamilie entstammt, mit seiner Rolle als neuer Chef der Aggregate Holdings S.A. aus Luxemburg Schlagzeilen. Die war einst der größte Aktionär der Adler Group. Der Verwaltungsrat ernannte ihn zum CEO von Aggregate, wo Caner mit einem Anteil von 20 Prozent auch als Mitgesellschafter einsteigt. Für welchen Betrag er die Anteile übernimmt, ist unbekannt. Seit vielen Jahren berät Cevdet Caner den Eigentümer und das Top-Management von Aggregate bei zahlreichen Finanzierungs- und Transaktionsfragen. Mit seiner Hilfe habe man sich zu einer führenden Deutschland-fokussierten Immobilienentwicklungs- und Investmentgruppe entwickelt, heißt es unternehmensseitig. Günther Walcher, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Aggregate, hat hohe Erwartungen an den Neuzugang, den andere für einen Immobilienmarkt-Schurken, zumindest aber einen durchtriebenen Strippenzieher halten. „Die Entscheidung, Cevdet Caner zum CEO zu ernennen, ist nicht nur eine Anerkennung für seinen enormen Beitrag in der Vergangenheit, sondern vor allem ein Beweis für unsere Zukunftspläne“, betonte Walcher. Der Österreicher, der mit der Skilift-Zugangskontrolle Skidata reich wurde, glaubt weiterhin an ein enormes Wachstumspotenzial im Immobiliensektor: „Da die großen Umwälzungen auf den globalen Märkten anhalten werden, bieten sich im europäischen Immobiliensektor enorme Chancen.“

Aggregate Holdings S.A. verfügt laut Selbstauskunft über Vermögenswerte in Höhe von 7,9 Milliarden Euro und ein Projektportfolio mit einem Bruttoentwicklungswert von 9,9 Milliarden Euro. Es ist eine schwerpunktmäßig auf Deutschland ausgerichtete Immobilien-Investmentgesellschaft mit einem weiteren Geschäftsfokus auf Portugal. Ende Juni veröffentlichte Aggregate die Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2021. Das war eine Zeit starken Vermögenswachstums insbesondere im Geschäftsbereich „Build & Hold“, wo das Unternehmen den Erwerb von drei erstklassigen Berliner Großprojekten mit einer Bruttogeschoßfläche von rund 820.000 Quadratmetern abschloss. Die Bilanzsumme der Aggregate Holdings S.A. legte auf 7,9 Milliarden Euro zu. Zum Jahresende 2021 betrug die Nettoverschuldung jedoch 3.838 Millionen Euro. Nach eigenen Angaben ist dieser Anstieg in erster Linie auf strategische Akquisitionen, laufende Investitionen und die Wertminderung der Adler-Beteiligung zurückzuführen.

Nach seiner Berufung besteht das Management von Aggregate aus Caner als Chief Executive Officer, Benjamin Lee als Chief Financial Officer sowie John Nacos als Chief Investment Officer. Ein Beirat soll das Führungstrio strategisch beraten und die Einhaltung aller unternehmenseigenen Standards in puncto Governance und Compliance sicherstellen. Cevdet Caner äußerte im Juli seine Vorfreude auf die Leitung des erfahrenen Managementteams und den strategischen Austausch mit den Beiratsmitgliedern. Es bleibt abzuwarten, ob die Zeit der Negativschlagzeilen nun hinter ihm liegt.

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