Militärisch erscheinen die USA den Chinesen noch weit überlegen zu sein (Bildquelle: Pixabay)
Militärisch erscheinen die USA den Chinesen noch weit überlegen zu sein (Bildquelle: Pixabay)

Washington – Nachdem US-Präsident Joe Biden die chinesische Staatsführung mehrfach wegen ihres aggressiven Umgangs mit Hongkong, Taiwan sowie den Uiguren kritisiert und die fernöstliche Großmacht die Kritik empört zurückgewiesen hatte, wuchs überall die Angst vor einem neuen Kalten Krieg. Doch beim jüngsten Videogipfel Bidens mit Chinas Staatschef Xi Jinping wurden Entspannungssignale gesandt. Der US-Präsident betonte, dass der politisch-ökonomische Wettbewerb der beiden Mächte nicht in einen offenen Konflikt münden dürfe. Der chinesische Kommunist pflichtete bei, Herausforderungen wie der Klimawandel könnten nur auf der Basis gesunder Beziehungen bewältigt werden.

Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ resümierte Mitte November mit einer gewissen Erleichterung, dass die USA und China auf eine Art „Kalten Frieden“ setzen: „In einer Sache sind sich Washington und Peking einig: Der extreme Konkurrenzkampf zwischen den beiden Supermächten kann und muss bewältigt werden. Das Risiko eines Konflikts, ob beabsichtigt oder unabsichtlich, ist zu groß; die Folgen wären für beide Seiten viel zu kostspielig. Auf der Grundlage dieser Überzeugung haben Joe Biden und Xi Jinping begonnen, die Spielregeln für einen kalten Frieden, nicht für einen neuen kalten Krieg, auszuhandeln.“ Das ist nicht wenig angesichts des Umstandes, dass die globale Rivalität zwischen den USA und China in den letzten Jahren zu einem Großparadigma der internationalen Beziehungen geworden ist und alle geopolitischen Strategiedebatten prägt.

So empfahl nun eine vom Kongress eingesetzte Kommission dem US-Gesetzgeber, die amerikanischen Investitionen in China aufgrund von Sicherheitsbedenken einzuschränken. Die USA sollten Chinas Einfluss auf der ganzen Welt entgegenwirken, indem sie selbst alles von der Infrastruktur über Impfstoffe bis hin zu grüner Energie bereitstellen. Das „Wall Street Journal“ schrieb am 17. November 2021: „Eine vom Kongress einberufene Kommission aus Sicherheits- und Wirtschaftsexperten empfahl den USA, aggressivere Schritte zu unternehmen, um die Handelsbeziehungen zu China zurückzuschrauben, und warnte vor erhöhten nationalen Sicherheitsrisiken. Der Jahresbericht der einflussreichen US-China Economic and Security Review Commission forderte, Beschränkungen für US-Investitionen in China aufzuerlegen und die Möglichkeit der Anleger, in den USA notierte chinesische Aktien zu kaufen, einzuschränken.“

Dieser aktuelle Bericht der Kommission entspricht ganz ihrem Mandat, „die nationale Sicherheit zu überwachen, zu untersuchen und dem Kongress über die Auswirkungen der bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China auf die nationale Sicherheit zu berichten“. Trotz der politischen Zerrissenheit des Landes konnte die Kommission einen überparteilichen Konsens über ihren Forderungskatalog erzielen: die Mitglieder votierten einstimmig dafür, den Bericht zu billigen und dem Kongress vorzulegen. Zur Urteilsbildung wurden sieben öffentliche Anhörungen durchgeführt und dabei 75 Sachverständige aus Regierungskreisen, der Privatwirtschaft, der Wissenschaft sowie von Think Tanks und anderen Einrichtungen angehört. Die elfköpfige Kommission unter den Vorsitzenden Carolyn Bartholomew und Robin Cleveland stützte sich für ihren Jahresbericht 2021 zudem auf Informationen der amerikanischen Exekutivorgane und Geheimdienste sowie von ausländischen Diplomaten und Nichtregierungsexperten. Die Zusammenfassung der Studie enthält 32 Empfehlungen für den Kongress – 10 von ihnen halten die Kommissionsmitglieder für besonders umsetzungsrelevant.

So wird dem Kongress unter anderem dringend zu einer umfassenden Gesetzgebung geraten, um die Risiken für US-Investoren durch Investitionen in chinesische Aktien, Schuldtitel und derivative Instrumente zu reduzieren. Der Kongress soll auch zügig Maßnahmen ergreifen, um die Glaubwürdigkeit der militärischen Abschreckung der USA zu erhöhen und die Fähigkeit aufrechtzuerhalten, die im Taiwan Relations Act festgelegten Verpflichtungen zur Sicherheit Taiwans zu erfüllen. Durch gesetzgeberische Maßnahmen müsse die wirksame Umsetzung des Export Control Reform Act of 2018 und des Foreign Investment Risk Review Modernization Act of 2018 gewährleistet werden, hieß es. Überdies soll der Kongress die Schaffung einer Behörde erwägen, die das Offshoring kritischer Lieferketten und wichtiger Produktionskapazitäten nach China überwacht und zum Schutz der amerikanischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen auch unterbinden kann. Die Kommission appelliert an den Kongress, eine Erosion der strategischen nuklearen Überlegenheit der USA zu verhindern und Trumps Programm für die nukleare Modernisierung fortzusetzen. Des Weiteren geht es um mehr Transparenz von börsennotierten US-Unternehmen mit Niederlassungen in China sowie die Überprüfung und Ausweitung US-behördlicher Sanktionsmöglichkeiten gegen bestimmte chinesische Unternehmen. Außerdem soll der Kongress das Finanzministerium mit einer jährlichen Aktualisierung der genauen US-Portfolio-Investitionspositionen in China seit 2008 beauftragen. Schlussendlich soll der Kongress die Zoll- und Grenzschutzbehörde der USA zu Maßnahmen veranlassen, um eine regionsweite Withhold Release Order für Produkte mit Ursprung in Xinjiang, der Heimat der staatlich verfolgten Uiguren, zu erlassen. Auch soll stärker gegen chinesische Produkte aus Zwangsarbeit vorgegangen werden. 

Am Ende ihres Vorwortes für die Zusammenfassung schreiben Carolyn Bartholomew und Robin Cleveland: „Wir legen dem Kongress diesen Bericht in der Hoffnung vor, dass er für die Bewertung der Fortschritte und Herausforderungen in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China nützlich ist. Wir danken Ihnen für die Gelegenheit, Ihnen dienen zu dürfen. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Kongresses im kommenden Jahr, um die Probleme in den Beziehungen zwischen den USA und China anzugehen.“

Präsident Joe Biden wird die Empfehlungen der Kommission zum Umgang mit dem auftrumpfenden China kaum ignorieren können. Das gilt insbesondere für die ins Spiel gebrachten Maßnahmen, um China von einer Invasion in Taiwan abzuhalten. Die Kommission zur Überprüfung der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage zwischen den USA und China verfolgt hier eine harte Linie. Das führende US-Beratungsgremium zur China-Politik verlangt vom Kongress klare Initiativen, um Festlandchina an einer Besetzung Taiwans zu hindern. Dazu gehört die Finanzierung von mehr ballistischen und Anti-Schiffs-Raketen im Indopazifik und die Genehmigung weiterer regionaler Geheimdienstoperationen. In dem ausführlichen 539-seitigen Gesamt-Jahresbericht fordert die Kommission den Gesetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass US-Finanzmittel, die auf das chinesische Festland fließen, nicht zur Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes oder der Kommunistischen Partei verwendet werden. Als strukturelle Schwächen Chinas werden die große Einkommensungleichheit, die technologische Abhängigkeit vom Westen und das wachsende Misstrauen in Übersee identifiziert.

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