Erfurt – Thüringen wird von einer Koalition aus Linken, SPD und Grünen regiert, die aber keine parlamentarische Mehrheit hat und faktisch von der CDU toleriert wird. Würde jetzt ein neuer Landtag gewählt, käme die rot-rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nur noch auf 41 Prozent. Laut einer aktuellen INSA-Meinungsumfrage würde die AfD von Björn Höcke mit 26 Prozent stärkste Partei im Freistaat. Die Linke käme auf 25 Prozent und die CDU auf 22 Prozent. Für die SPD würden sich 10 Prozent der Thüringer entscheiden und für die Grünen sechs. Die FDP müsste mit fünf Prozent um den Landtagseinzug bangen. Die nächste reguläre Landtagswahl findet im Jahr 2024 statt.
Bis dahin wird sich Ramelows Minderheitsregierung weiterhin Mehrheiten mithilfe der CDU organisieren müssen. Gelegentlich verweigert sich die CDU aber der Stimmenbeschaffung für Rot-Rot-Grün und überstimmt die Regierungsparteien mit den Abgeordneten von AfD und FDP. Im letzten November setzten sich die Oppositionsparteien mit einem Antrag durch, der vorsieht, dass der Landtag und die Landesregierung in ihrer öffentlichen Kommunikation auf das umstrittene Gendern verzichten. Die CDU-Fraktion hatte den Antrag eingebracht und bekam bei einer namentlichen Abstimmung 38 von 74 Stimmen. 36 Abgeordnete von Linken, SPD und Grünen stimmten für die gendergerechte Kommunikation. Die linke Minderheitskoalition hatte mit einem Gegenantrag noch vergeblich versucht, einen Kompromiss zu finden, um eine Abstimmungsniederlage im letzten Moment abzuwenden. Aber der Antrag hatte sowieso nur Appellcharakter.
Jüngst verabschiedeten die drei Oppositionsparteien zusammen ein Gesetz zu Spielhallen, was in den Reihen von Rot-Rot-Grün für Empörung sorgte. Nach einem langen Streit über eine Änderung des Thüringer Spielhallengesetzes stimmten AfD, CDU und FDP gemeinsam für einen Entwurf der Freien Demokraten. Nach dem Auslaufen des bis zum 30. Juni 2021 geltenden Glücksspielstaatsvertrages verständigten sich die Ministerpräsidenten auf eine Anschlussregelung, damit über den 30. Juni 2021 hinaus ein einheitlicher Rechtsrahmen für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen gilt und Sonderwege einzelner Bundesländer vermieden werden. Zur rechtzeitigen Ratifizierung dieses Staatsvertrages brachten alle Landesregierungen Zustimmungsgesetze auf den Weg. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 machte auch Änderungen am Thüringer Glücksspielgesetz sowie am Thüringer Spielhallengesetz erforderlich. Deshalb beschloss der Landtag das Thüringer Gesetz zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages 2021.
Nach seiner Verabschiedung war das Gesetz aufgrund seiner Auslegung durch die Landesregierung weiterhin Gegenstand parlamentarischer Befassung. Hierbei wurden teils erhebliche Widersprüche bei der Auslegung und Anwendung der Spielhallen-Regulierungen festgestellt. Hinsichtlich der Gerätezahlen, Abstandsgebote und Zugangsbeschränkungen sollten Spielhallenbetreiber die Möglichkeit bekommen, sich im Rahmen einer strengen Zertifizierung zu einer besonders qualitativen Betriebsführung zu verpflichten, die positive Effekte für einen verbesserten Spieler- und Jugendschutz hat. Die Spielhallen brauchen somit eine bestimmte Zertifizierung, aber es gibt noch gar keine Akkreditierungsstelle. Das thüringische Wirtschaftsministerium verlängerte die Duldung von nicht vollständig zertifizierten Spielhallen deshalb, bis eine vollständige Zertifizierung durch den Bund vorgenommen wird. „Die aktuelle Regelung lässt keine eindeutige Interpretation zu. Eine eindeutige Regelung wird erschwert“, kritisierte die FDP in ihrem Gesetzentwurf vom Juni 2022. „Rechtsunsicherheit auf Seiten der Unternehmen und der zuständigen Behörden auf kommunaler Ebene sind die Folge.“ Durch die Änderung des Thüringer Spielhallengesetzes wollte die FDP die Interpretationsspielräume beseitigen, die Anwendung der Abstandsprivilegierung sicherstellen und Rechtsklarheit bei der Anwendung des Gesetzes gewährleisten. Dafür gab es im Erfurter Landtag jetzt eine Mehrheit von AfD, CDU und FDP.
Die Freien Demokraten argumentierten im Plenum, das Erteilen von Ausnahmegenehmigungen entspreche nicht der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Spielhallenverordnung. In Richtung der Minderheitsregierung sagte FDP-Gruppenchef und Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich: „Vielleicht machen wir das, was unserer Überzeugung entspricht und nicht Ihrem Willen.“ Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee warnte im Landtag hingegen vor der Verabschiedung des Gesetzentwurfes: „Unsere Rechtsauffassung ist, dass das zur Folge hat, dass ab dem 1. Mai 2023 sämtliche Spielhallen zu schließen wären, für die derzeit keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann.“ Ohne die Übergangsregelung könne jede Spielhalle, die ohne eine Erlaubnis betrieben werde, als illegal gelten und unter den Straftatbestand des unerlaubten Glücksspiels fallen, so der SPD-Politiker. Der Linke-Abgeordnete Knut Korschewsky stellte sich hinter die Auffassung des Wirtschaftsministeriums: „Das Vorgehen des Wirtschaftsministeriums in dieser Angelegenheit ist richtig und dient dem Schutz von Unternehmen, damit keine Rechtsunsicherheit aufkommt.“ Ein Sprecher der parlamentarischen FDP-Gruppe argumentierte, dass nicht das Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung entscheidend sei, sondern dass diese Genehmigung bis zum 30. April lediglich beantragt werden müsse. „Der Nachweis der Beantragung berechtigt zum weiteren Betrieb.“ Dafür schaffe das geänderte Gesetz nun Rechtssicherheit. Ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums behauptete das glatte Gegenteil: „Das nunmehr geänderte Gesetz schafft also gerade keine Rechtssicherheit, sondern – und das völlig unnötig – Rechtsunsicherheit.“
Linke-Fraktionschef Steffen Dittes schimpfte, es handele sich um das erste Gesetz in dieser Legislaturperiode, dessen Verabschiedung von Stimmen der AfD abhängig gewesen sei.